Überleben

 

Blut...

Ich schmecke es auf meiner Zunge, möchte es ausspucken. Der süßliche Geruch in meiner Nase bringt mich fast zu würgen. Mein Magen rebelliert bei jedem Schluck des roten Lebenselixiers. Es ist noch warm, tropft auf mich herab. Ich habe keine Chance, dieser Folter zu entgehen. Es wäre sonst mein Tod. Ich muß durch den Mund atmen. Etwas schweres liegt auf meinem Körper, droht mich zu ersticken.

In dem Zimmer ist es zu dunkel, um den Gegenstand zu erkennen, der mich unter sich begraben hat. Doch ich kann es riechen.

Mein Freund Peter benutzte immer viel zu viel von seinem After Shave. Seine Leiche liegt auf mir und ich kann nichts dagegen tun. Ich muß sein Blut, daß mir in den Mund tropft, schlucken. Wenn ich es ausspucke, wird Peters Mörder mich hören und dann werde auch ich sterben.

Mir klingeln noch die Ohren. Ich sehe die zuckenden Schatten, spüre Peters Körper gegen meinen prallen. Er reißt mich zu Boden und begräbt mich unter sich. Ich will schreien, aber in meinem Hals scheint ein Kloß zu stecken.

Ich sehe die Lampe in einem Funkenregen von der Decke fallen. Höre das Klirren, als sie auf den Boden schlägt.

Dann kommen die Schreie. Vor mir huscht ein Schatten vorbei. Etwas warmes, feuchtes benetzt mein Gesicht. Jemand geht neben mir gurgelnd zu Boden. Die Gestalt in der Zimmertür schießt in das Dunkel und gerade als er mich ins Visier nimmt, taucht vor mir ein dunkler Schatten auf. Ich höre die Schüsse und denke, daß ich nun sterbe. Der Schatten des Todes hätte mich umhüllt. Dann kommt der Aufprall. Ich falle. Ich reiße den Mund zu einem stummen Schrei auf. Dann berühre ich den Boden. Ein Blitz zuckt vor meinen Augen auf, als mein Hinterkopf gegen den Teppich knallt.

Der Fremde schießt weiter. Er hat eine Maschinenpistole, das Rattern der Waffe läßt mein Trommelfell beben. Ich höre nichts anders mehr. Schmerzen schießen durch meine Gehörgänge und ich kann mir nicht die Ohren zu halten. Peter liegt genau auf mir. Ich kann und will mich nicht bewegen.

Die Schüsse sind längst verhallt. Die Schreie verstummt.

Ich merke es erst lange Zeit danach. Noch immer höre ich alles so deutlich, als wäre das Gemetzel noch nicht vorbei.

Meine Augen sind weit geöffnet, was mir erst jetzt bewußt wird. Die Dunkelheit ist vollkommen. Peters Körper wirkt wie ein großer Felsen.

Ich traue mich endlich, mich zu bewegen, stemme den Körper hoch. Er ist schwer. Peter war bekannt für seinen guten Appetit. Ich schaffe es kaum, seinen massigen Körper von mir runter zu rollen. Er klatscht neben mir auf den Boden und ich hole tief Luft. Mein ganzer Körper schmerzt, durch das Gewicht, welches eben noch auf mir gelegen hatte.

Um mich herum ist alles schwarz. Ich kann in den Eingang des Hauses schauen. Zu der Haustür, die aus Milchglas besteht. Durch sie fällt das Mondlicht in den Flur. Ich stehe langsam auf, versuche kein Geräusch zu machen.

Vielleicht ist der Mörder noch im Haus. Ich habe nicht gehört, wie er das Haus verlassen hat.

Hat überhaupt jemand gehört, wie er betreten hat?

Ich erreiche den Flur und sehe die Maschinenpistole auf einer der Stufen liegen, die nach oben führen. Der Mistkerl denkt wohl, er hätte uns alle erwischt, hm? Ich erreiche die Haustür, in einem gebückten Gang. Mein Rücken schmerzt furchtbar. Wie alles andere an meinem Körper.

Draußen ist es totenstill. Der Begriff kommt mir unheimlich makaber in dieser Situation vor.

Wie spät ist es?

Ich schaue mich nach einer Uhr um. In diesem verdammten Haus muß es doch eine Uhr geben.

Ach, was interessiert mich, wie spät es ist? Ich muß Hilfe holen. Die Polizei... Notärzte... Weiß der Geier. Es muß jemand kommen und...

Meine Gedanken werden unterbrochen. Ein Geräusch hat sich dazwischen gemogelt. Es ertönt kein zweites mal, so komme ich einfach nicht drauf, was es war. Schritte? Eine Tür? Eine Stimme?

Es kann alles und nichts gewesen sein.

Egal. Ich werde jetzt verschwinden und dieses Haus nie wieder betreten. Das ist Aufgabe der Polizei.

Meine Hand drückt die Klinke der Haustür nach unten, als das Geräusch sich doch noch wiederholt. Sogar mehrmals hintereinander.

Ein ersticktes Stöhnen. Es kommt von oben.

Ich bleibe wie gelähmt vor der Tür stehen, die schon einen Spalt geöffnet ist.

Die kalte Nachtluft weht herein und streichelt meine Haut. Sie kommt mir wie eine lockende Erlösung vor. Ich will ihr entgegen kommen, doch das Stöhnen wiederholt sich erneut und ich weiß ganz genau, daß ich es mir niemals verzeihen könnte, wie ein feiger Hund zu fliehen.

Der Mörder ist unbewaffnet... So scheint es jedenfalls. Wen auch immer er dort oben foltert... Ich könnte diese Person retten.

Es ist auf jeden Fall eine Frau, die dort oben ist. Auf dieser Party waren nur drei Frauen. Und fünf Männer.

Leila war neben mir gurgelnd zu Boden gegangen. Ich höre noch immer das Geräusch, als sie versucht zu schreien, doch das Blut in ihrer Kehle hindert sie dran.

Dann waren da noch Kathrin und Lucy. Eine von ihnen ist dort oben.

Ich sehe die Treppe an, als sei sie unwirklich. Ein Ding, aus einer anderen Welt. Wenn ich sie wirklich hoch gehe, könnte das bedeuten, daß der Mörder auch mich kriegt. Und das würde niemandem helfen.

Aber wenn ich fliehe, hätte das den selben Effekt.

Das Stöhnen wiederholt sich nicht mehr. Jemand öffnet eine Tür, schließt sie hinter sich und geht den oberen Flur entlang.

Mein Herz setzt einen Schlag aus. Die Gestalt kommt auf die Treppe zu, an deren Fuß ich stehe. Die Schritte werden lauter. Mein Mund steht weit offen und alles was ich sehe, ist der obere Treppenabsatz, wo jeden Moment der Mörder erscheinen kann. Dann wird er mich sehen und...

Ich wirbele herum, versuche lautlos, aber auch so schnell wie möglich, das Wohnzimmer zu erreichen. Zurück zu den Leichen. Zurück in die Dunkelheit.

Die Gestalt kommt die Treppe runter und ich habe gerade erst den leeren Türrahmen des Wohnzimmers erreicht. Etwas liegt genau vor mir. Ich stolper drüber und falle zu Boden. Mein Sturz wird durch den Körper von Lucy gedämpft. Ich berühre mit meinem Gesicht ihren Rücken, den das lange Kleid nicht bedeckt. Sie war die einzige, mit freiem Rücken, deshalb erkenne ich sie.

Der Mörder betritt das Zimmer. Er muß meinen Sturz gehört haben. Jeder Idiot hätte ihn hören können, verdammt.

Ein Klicken ertönt im Hintergrund und dann kreist der Lichtkegel einer Taschenlampe durch das Zimmer.

Vater unser, der du bist im Himmel...

Der Kegel erreicht nun auch mich und ich halte unwillkürlich die Luft an, schließe die Augen.

Eine Ewigkeit scheint zu vergehen, doch nichts geschieht. Der Fremde hat sich irgendwann abgewandt und ist gegangen.

Ich schaue vorsichtig über die Schulter, in den menschenleeren Flur und stehe dann langsam auf. Jeden Moment kann dieser Irre um die Ecke springen und mir ein Messer in die Brust rammen. Die Küche ist nur eine Tür weiter. Wahrscheinlich ist er dorthin gegangen.

Ich verlasse das Wohnzimmer und erreiche erneut den Fuß der Treppe. Diesmal fällt es mir leichter sie zu hoch zu gehen, denn diesmal ist der Mörder schließlich unten...

Hoffe ich.

Ich versuche kein Geräusch zu verursachen, doch meine Schritte scheinen überlaut durch den Raum zu hallen.

Das ist nur die Angst, schießt es mir durch den Kopf. Du bist viel zu still. Er kann dich nicht hören... Und jetzt beweg dich, man.

Ich erreiche den oberen Treppenabsatz und starre in den Flur. Er ist fast genauso dunkel, wie das Wohnzimmer. Eine Tür, auf der rechten Seite, wird von Licht umrahmt.

In diesem Zimmer muß Kathrin sein. Sie ist Peters Frau. Sie hat seinen Tod mit erlebt.

Ich schließe für einen Moment die Augen und sehe trotzdem das ganze Szenario wieder vor mir. Die zuckenden Schatten. Ein Kopf scheint genau vor mir regelrecht zu explodieren. Das Blut spritzt in mein Gesicht.

Die Erinnerung bringt mich dazu, mit den Händen durch mein Gesicht zu fahren. Ich betrachte die Handflächen, welche dunkel gefärbt sind. Ohne Licht, wirkt das Blut wie schwarzes Öl. Es tropft auf den Teppich. Es tropft meinen Händen, von meinem Kinn. Ich schmecke es noch immer.

Peters Blut.

Nie werde ich diesen Geschmack vergessen. Die Bilder, den Geruch vom Blut...

Ich erreiche endlich die Tür, hinter der Licht brennt und lausche. Hinter dem Holz ist alles ruhig. Hat dieser Irre Kathrin getötet? Es wäre eine Erlösung. Sie muß furchtbare Qualen durch gemacht haben. Das Stöhnen hallt in meinen Ohren wider und es läuft mir eiskalt den Rücken runter.

Ich drücke die Türklinke runter, öffne langsam die Tür und rechne damit, ein Blutbad vor mir zu sehen. Kathrins aufgeschlitzten Körper auf einem Doppelbett. Ein Knebel im Mund, um die Schreie zu ersticken.

In der Gegen lebten nur alte Leute, die hatten von dem Blutbad unten bestimmt nichts mit bekommen, doch wenn die Schreie weiter anhielten, würden auch sie irgendwann etwas hören.

Ich öffne die Tür ganz und sehe Kathrin. Sie lebt.

„Gott sei...“ Weiter kann ich nicht sprechen, als ich sehe, was der Mörder mit ihr gemacht hat. Ihre Hände sind hinter dem Rücken mit Lederriemen zusammen gebunden. Eine Kette führt zu einem Haken in der Decke, zerrt die Arme nach oben, daß Kathrin in einer gebückten Haltung dar stellt. Die Schmerzen in den Schultern müssen furchtbar sein. Sie ist mit einem dieser perversen Riemen geknebelt, in deren Mitte sich ein Ball befindet, den man seinem Opfer hinter die Zähne schiebt. Hinter ihrem Kopf ist der Riemen verknotet.

Sie ist splitternackt und hat rote Striemen auf dem Rücken. Dieser Perverse muß sie ausgepeitscht haben. Ihr langes, blondes Haar, fällt in ihr Gesicht. Überall stehen angezündete Kerzen und sorgen für Licht.

Ich betrachte sehe im Hintergrund das Doppelbett und die Leiche, die dort liegt. Es ist Peters Freund Frank, den ich heute erst kennen gelernt habe. Er ist ebenfalls nackt, hat einen gebräunten, sehr behaarten Körper und scheint das ganze Szenario zu beobachten, mit leeren Augenhöhlen. Seine dunklen Haare sind mit Blut verklebt. Es fließt über sein Gesicht, seine Brust, in der ich drei Einschusslöcher sehe. Und eines in seiner linken Schulter.

„Kathrin...“ Ich reiße mich von dem Anblick der Leiche los und gehe auf die blonde Frau zu, die mich vollkommen überrascht, ansieht.

Sie versucht unter dem Knebel zu sprechen, doch ich lege einen Finger auf die Lippen und schüttel den Kopf. Als ich den Knebel entfernt habe, sagt sie: „Du hast... Ich dachte du wärst...“

„Tot?“ ich grinse wie ein billiger Filmheld. „Das dachte ich auch.“ Dieser Satz war keinesfalls scherzhaft gemeint.

Kathrin beobachtet mich mit offenem Mund, als ich ihre Fesseln löse. Der Mörder muß sie mehrfach vergewaltigt haben. Dieser Schweinehund.

Ich stütze Kathrin, will sie zur Tür führen, als sie sagt: „Ich... brauche meinen Bademantel... Bitte...“

„Wieso?“ frage ich und gleich danach könnte ich mich ohrfeigen. Wenn wir zu den Nachbarn gingen, mußten die Kathrin ja nicht unbedingt so sehen.

Ich helfe ihr, sich auf den Boden zu setzen und gehe schnell in das Badezimmer. Eine Verbindungstür führt dort hinein. Ich schalte das Licht an und greife nach dem rosa Bademantel, der an einem Wandhaken hängt.

Dabei fällt mein Blick auf etwas, neben der Badewanne.

Zwei Koffer.

Ich runzle die Stirn. Dieser Anblick wirft mich völlig aus der Fassung. Was suchen denn diese Koffer hier? Wie paßt das...

Meine Augen drohen aus den Höhlen zu quellen. Ich wirble herum und sehe Kathrin auf allen Vieren vor der Tür.

„Komm her!“ schreit sie aus vollem Halse. Sie fügt hinzu, daß ich überlebt habe.

Unten ertönen schnelle Schritte. Jemand kommt die Treppe hoch. Ich stehe in der Badezimmertür und halte noch immer den Bademantel in der Hand, als Colin im Flur auftaucht. Er ist nackt.

Ich sehe, daß er keine Waffe bei sich hat, doch beruhigen tut mich das nicht. Er ist immer hin sehr kräftig gebaut.

Er grinst. Sein Kinnbart und die Igelfrisur lassen ihn wie den Satan persönlich wirken.

Er hat dunkles Haar, sehr blasse Haut und dazu noch dunkle Augen.

„Na, mein Freund.“ ertönt es aus seinem Mund. „Hast du uns gefunden?“

Fragt sich, wer hier wen gefunden hat, fluche ich in Gedanken und suche verzweifelt nach einem Ausweg. Da wäre das Fenster, über dem Doppelbett. Da sich die oberen Zimmer unter dem Dach befinden, würde ich auf dem Schrägdach raus kommen.

Doch erst mal mußte ich das Fenster erreichen und öffnen.

Colin war mit mir und Peter auf dem College. Wir zählten ihn zu unseren besten Freunden. Wie war er dem Blutbad entgangen?

Kathrin steht vorsichtig auf. „Bring ihn um, Colin... Na los...“

„Warte...“ Colin streichelt ihre Wange. „Wir hatten bisher so viel Spaß, wieso sollten wir uns diesen hier nehmen lassen?“

Er kommt auf mich zu. Kathrin lehnt am Türrahmen. Sie ist völlig geschwächt vom Sex und von der Körperhaltung, in der sie diesen praktiziert hatten.

Ich weiche in das Bad zurück und entferne mich so von dem rettenden Fenster. Colin grinst noch immer. Er ist schon ganz nahe und ich kann seinen Schweiß riechen, als er mich schließlich erreicht.

Er deutet auf die Koffer. „Schon gesehen? Wir machen eine kleine Reise... Ich und Kathrin.“

Ich habe keine Ahnung, was ich dazu sagen soll. Mir schwirren so viele Gedanken durch den Kopf. So viele... daß ich nur frage: „Warum das alles?“

Kathrin lacht im Hintergrund. „Warum? Weil ich und Colin seit drei Jahren ein Verhältnis miteinander haben. Darum. Weil vor ein paar Monaten Colins Vater gestorben ist und der war verdammt reicht.“

„Mit seinem Geld,“ setzt Colin die Erzählung fort. „können wir uns eine Reise auf die Bahamas leisten, danach ein Haus, schnelle Autos... Alles, was wir wollen.“

„Damit kommt ihr niemals durch...“ Meine Stimme ist ein Flüstern. Ich kann nicht lauter sprechen.

„Wegen Fingerabdrücken?“ Colin weicht etwas zurück. „Wir sprengen den Laden hier in die Luft. Die Leichen werden so schnell verbrennen, dank dem Benzin, daß ich verschütten werde, daß man ihre wahre Todesursache gar nicht fest stellen kann und das alles hier für einen schrecklichen Unfall halten wird. Wie gut, daß Peter schon immer einen Gasofen haben wollte, hm?“

„Und es weiß schließlich keiner, daß Colin hier ist.“ grinst Kathrin. „Keiner wird ihn für tot halten.“

„Dich aber schon.“ sage ich.

Sie schüttelt den Kopf. „Ich bin auf den Bahamas. Colin hat mich schon vorher mit einer gemieteten Maschine hin geflogen. Ich trug mich in das Hotel ein und wir flogen zurück. Das alles geschah an dem Wochenende, wo ich meinen sterbenden Vater besucht habe.“ Sie lacht. „Das mit meinem Besuch bei Paps glaubte aber auch nur Peter.“

„Und nachdem du von dem schrecklichen Unfall hörst, ist Colin zur Stelle, um dich zu trösten.“ Ich atme tief ein. „Ihr seid echt krank...“

„Krank, aber reich.“ grinst Colin mich an. „Da wäre nur ein Problem.“

Ich halte unwillkürlich die Luft an und im nächsten Moment schließen sich Colins Hände um meinen Hals. Er drückt mir die Luft ab, zwingt mich in die Knie. Ich gurgle, versuche den Griff zu lösen.

Colin lacht laut und schreit mich an. Ich verstehe allerdings kein Wort. Das Blut rauscht in meinen Ohren. Ein drückender Schmerz breitet sich in meiner Brust aus.

Im Hintergrund kreischt Kathrin irgendwas.

Vor meinen Augen erscheinen die letzten paar Sekunden vor dem Gemetzel im Wohnzimmer. Sie wirft sich zu Boden und dann ist da Colin, der sofort das Feuer eröffnet. Ich erkannte ihn nicht, da der erste Schuß die Lampe traf. Dieser Mistkerl mußte von Kathrin einen Schlüssel für die Haustür haben.

Ich sehe alles verschwommen. Etwas baumelt ganz dicht vor mir. Ich weiß nicht, ob es das ist, wofür ich es halte... Aber es ist auf alle Fälle meine letzte Chance.

Colin schreit schrill auf, läßt von mir ab und weicht zurück, als ich meine Zähne von seinem Gental löse. Wieder tropft Blut von meinen Lippen. Und diesmal auch von Colin.

Ich huste, fasse mir vorsichtig an den Hals, um ihn zu massieren. Das Einatmen tut so unheimlich gut. Colin brüllt irgendwas und ehe ich mich versehe, zerschmettert sein rechter Fuß mein Nasenbein.

Ich fliege regelrecht zurück, knalle auf den Boden und spucke Blut, vermischt mit Speichel.

Kathrin erreicht die Badezimmertür und sieht Colin fassungslos an.

In diesem Moment fällt mir ein, daß Colin bei dem Blutbad noch gar nicht anwesend war. Er hatte angerufen und behauptet, er würde sich verspäten.

Der verdammte Schweinehund mußte irgendwo gelauert und gewartet haben, bis alle Gäste da waren. Ich war der Letzte. Der Startschuß.

„Du Wichser!“ Kathrin rennt auf mich zu. Ich komme schnell genug auf die Beine, ignoriere die Schmerzen und schlage blindlings zu.

Meine Faust klatscht in das Gesicht der Frau, wirft sie gegen die Wand. Ich packe ihre Haare, zerre ihren Kopf zurück und ramme ihn erneut gegen die geflieste Wand. Immer und immer wieder. Ich bin völlig ausser Kontrolle.

Colin stößt mich zur Seite.

„Hör auf!“ kreischt er und fängt Kathrins fallenden Körper auf. Ihr Gesicht ist voller Blut. Das scheint in dieser Nacht Literweise zu fließen.

Colin starrt mich an, wie ein Wahnsinniger. „Du Mörder!“

Die Beschuldigung ist grotesk. Jemand, der mehrere Menschen erschießt, Sex neben einer Leiche geil findet und vor hat, auch mich zu töten, nennt mich einen Mörder. Dabei will ich nur überleben.

Colin kommt auf mich zu. Er holt zum Schlag aus, doch ich trete ihm in seine blutigen Genitalien und er geht schreiend in die Knie. Meine Fast rast in sein Gesicht. Er fällt zu Boden. Ich will an ihm vorbei, doch dieser Irre schiebt mein linkes Hosenbein hoch und beißt mir so fest in die Wade, daß seine Zähne in mein Fleisch dringen.

Ich kreische falle zu Boden und versuche irgendwie zu entkommen. Colin reißt so viel Fleisch wie möglich aus der Wunde. Ich traue meinen Augen kaum, als er mich anstarrt das Fleisch schließlich ausspuckt. Der Schmerz fährt durch mein gesamtes Bein. Ich schreie, bis Colin sich auf mich wirft und mir eine Hand auf den Mund preßt. Den freien Unterarm preßt er gegen meine Kegle, um mir erneut die Luft ab zu drücken. Ich beginne, ihn zu würgen. So fest, daß meine Hände schmerzen.

Er gibt nicht auf.

Ich sehe alles verschwommen, doch mein Griff bleibt eisern. Dann wird alles schwarz.

 

Stimmen...

Sie scheinen so weit weg....

Ich verstehe nicht, was sie sagen...

Bin ich doch noch gestorben? Oder bilde ich mir das wieder nur ein?

„Mister?“ ertönt es ganz dicht neben mir.

Ich öffne langsam und schwach die Augen. Mein Hals tut weh. Ich spüre mein verletztes Bein kaum. Auch der Schmerz in der Nase ist so gut wie verflogen.

Ich befinde mich in einem Krankenwagen und neben mir sitzt ein junger, blonder Mann, ganz in weiß gekleidet. „Hey, Mister... Endlich sind sie wach... Wir waren sie ins Krankenhaus. Man, die Bullen werden eine Menge Fragen haben. Schließlich sind sie der einzige Überlebende.“

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