Sterbetag

 

Heute ist mein Sterbetag, wie friedlich doch die ganze Verwandtschaft um meinen Sarg herumsteht, alle in schwarz gekleidet, sogar meine Schwester. Früher waren sie gegen diese Farbe, obwohl sie doch am meisten ausdrückte was ich fühlte, sie wollten immer das ich was Fröhliches, Helles, anziehe!

Ich sehe meine Mutter weinen, wissend das es bloße Heuchelei ist, früher hat sie mich geschlagen, mit dem Stock, immer wieder und immer härter. Die davongetragenen Wunden waren tief, die Seelischen unzählbar. Nun erblicke ich auch meinen Vater, oder war es nur einer der Liebhaber meiner Mutter? Er scheint sichtlich verletzt, nun, wahrscheinlich waren die Bullen bei ihm und haben sein Drogenversteck gefunden. Meine Tante, seine Schwester, geht zu ihm, sieht ihn an, mitleidevoll, bedauernd. Oh Tante, wann sahst du mich jemals so an? Hast du nicht die blauen Flecken gesehen?,...nein, das hast du nicht, du wolltest sie ja auch nicht sehen. Erst jetzt erkenne ich einen kleinen Jungen, er weint und klammert sich an die Hand einer alten Frau, der Kleine ist gut genährt und trägt saubere Klamotten, im Gegensatz zu mir damals, ein kurzes Lächeln huscht über mein Gesicht, mein Sohn ist also in guten Händen, ihm wird es nicht so ergehen wie mir, dafür habe ich gesorgt! Zu rechten der alten Frau steht ein Mann, vielleicht 20, ich mustere ihn genauer, sein schlanker durchtrainierter Körper ist selbst unter der Kleidung zu erkennen, seine Augen verweint und trotzdem eiskalt, seine Haltung gebeugt und doch stolz und fordernd. Ich gehe neben ihn, unbemerkt, unbeachtet, und hauche ihm einen Kuss auf die Wange. Er zuckt zusammen. Ich wende mich ihm ab und knie nieder vor meinem Sohn, meinem einzigen Liebling, er sieht mich an und  flüstert mir ein Wort entgegen „Mama“, doch nur ich höre es, die anderen lauschen alle dem Priester, der nun mit seiner Prozession begonnen hat. Ich beginne mich abzuwenden, von meiner grausamen Verwandtschaft, meinem Mann, meinem Sohn, wissend das in den nächsten Tagen jeder von ihnen das erhält was er verdient, meine Verwandten das Gericht, meinem Mann und meinem Sohn Geld, Geld das ich jahrelang in Massen sparte und nun nicht mehr brauchte! Ich bin bereit für den letzten Schritt nach dem Tod, es wird Zeit das irdische zu verlassen und in die Geisterwelt einzugehen, in diejenige Welt in der ich warten werde, warten auf meinen Sohn.............

 

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