DIE DUNKLE FLUT 2
DIE DÄMONEN DER WÜSTE
Achaja, die
Grenzstadt, lag am Rande der Großen Wüste. Schon seit
Jahrzehnten verfielen die Festungswerke der Stadt, da der
Stadtrat sich nicht im geringsten um die Instandsetzung der
Mauern kümmerte, hatte er doch wie die Stadträte meinten
mit der Einwohnerflucht und der pünktlichen Bezahlung der
Stadtgarde mehr als genug zu tun.
Selbst Hauptmann
Ogestes konnte trotz seinem Einfluß keinen der Stadträte dazu
bewegen etwas gegen den unaufhörlichen Verfall der Stadtmauer zu
tun. Jeden Morgen ärgerte er sich aufs neue, wenn er die
verrotteten Befestigungswerke betrachtete.
Das einzige worüber
sich der Soldat wirklich noch freuen konnte, waren die
disziplinierten Männer der Stadtgarde. Täglich wurde sie von
ihm gedrillt und jeder seiner Männer konnte ebenso gut mit dem
Schwert wie mit dem Bogen, Speer oder der riesigen Kampfaxt
umgehen.
Doch vor allem
bevorzugten die Soldaten das Krummschwert, eine absolute tödliche
Waffe in der Hand eines Meisterfechters, denn die meisten der
Stadtgardisten waren Nachkommen ehemaliger Wüstensöhne, also
ehemaligen Nomaden der Wüste, die vor Jahrzehnten mit ihren
Familien nach Achaja gezogen waren.
Hauptmann Ogestes
betrachtete seine Männer. Jeder von ihnen war stets frisch
rasiert und stets sauber angezogen. Nur die Soldaten, die einen
Bart trugen, waren von der täglichen Rasur ausgeschlossen.
Doch an diesem
Morgen war irgend etwas anders. Ogestes spürte eine drohende
Gefahr, die wie eine riesige Wolke über der Stadt schwebte.
Der Hauptmann
verzog leicht seine Mundwinkel. Die alte Narbe an seinem Rücken,
ein Andenken an die Kämpfe gegen die Wüstenteufel, fing
wieder an zu Schmerzen. Ein Zeichen, daß es heute wieder
besonders heiß werden würde.
Der 40jährige
Ogestes war ein Veteran der Wüstenkriege. Er hatte in seinem
Leben schon viel Tod und Elend gesehen. Er war groß, sehr
breitschultrig und trug seine blonden Haare kurzgeschnitten. Sein
blaue Uniform zeigte ihn als Mitglied der Stadtgarde und als
ehemaligen Wüstenkrieger aus.
Als Ogestes seine
Leute beobachtete dachte er an seinen Großvater zurück, der
noch vor 70 Jahren das Leben eines Nomaden geführt und noch das
richtige Leben in der Wüste gekannt hatte. Jetzt war er und
seine gesamte Familie seßhaft geworden und lebte sei mehr als 50
Jahren in Achaja.
Nachdem der
Hauptmann die fast 1.000 Mann starke Stadtgarde inspiziert hatte,
gab er seinen beiden Offizieren Fürst Edril und Leutnant
Laugestes die heutigen Tagesbefehle aus. Er ließ die Wachen
verdoppeln und machte seine Leute auf erhöhte Wachsamkeit
aufmerksam.
Ogestes sah zum
Himmel und wischte sich mit der rechten Hand von der Stirn. Schon
jetzt war die Sonne brütend heiß und gegen Mittag würde die
Hitze unerträglich werden. Ein Grund mehr für viele Einwohner
sich in ihren kühlen Häusern zurückzuziehen.
*
Einen halben
Tagesritt von Achaja entfernt trafen sich drei Reiter in der
kleinen Oase Achem Rada, Kleine Perle, genannt. Zwei der Männer
waren Anhänger des Dämonengötzen Dagazz, denn auf ihrer Brust
prangte die golden Schlange.
Die dritte
Gestalt war im Gegensatz zu den anderen beiden vermummt und nur
die klauenartigen Händen staken aus dem weißen und weiten
Gewand hervor.
Die Zeit
ist gekommen, meine Freunde!, sprach der Vermummte. Die
Dunkle Flut ist angebrochen. Der Heilige Krieg gegen die Ungläubigen
hat begonnen. Vernichtet die Frevler und Feinde Dagazz!
Die beiden Männern
nickten und ihre Augen funkelten fanatisch.
*
Achaja lag wie
ausgestorben in der Hitze der Mittagssonne. Die Einwohner hatten
sich in ihre Häuser verkrochen und warteten auf den kühlen
Abendwind, denn erst Nachts begann das eigentliche Leben der
Stadt.
Paulartes stand
im Wachturm und sah dem Horizont entgegen. Angestrengte blickte
er in die Ferne, denn er meinte etwas am Horizont aufblitzen
gesehen zu haben. Doch er konnte nichts entdecken. Schließlich
entschied er sich seine Runde zu machen. Ein schwerer Fehler, wie
sich bald herausstellen sollte.
*
Zar Tar bestrafte
die Unachtsamkeit des Mannes mit dem Tod. Solche Narren, die
versehentlich ihr Schwert zogen, konnte er nicht gebrauchen.
Währenddessen
der Mann vor seinen Augen geköpft wurde, dachte er mit einem
Grinsen an die Eroberung der Stadt Achaja.
Die Ungläubigen
würden alle sterben. Einer nach dem anderen. Die einen
schneller, die anderen langsamer. Ganz wie es ihm gefiel.
Tar Zar war noch
ziemlich jung. Mitte Zwanzig. Doch seine fanatisch blitzenden und
kalten Augen sprachen Bände und zeugten davon, daß er einer der
eifrigsten und treuesten Anhänger des Dämons Dagazz war.
*
Paulartes stieß
mit seinem Speerschaft gegen die Mauer. Ein augenblickliches
Knirschen und Bröckeln von Mauerteilen war die Folge.
Eine Schande,
dachte der Soldat und schüttelte den Kopf. Bevor er jedoch
seinen Rundgang abschließen konnte, hörte er ein scharrendes
Geräusch. Der Soldat fuhr herum. Doch es war bereits zu spät.
Bevor er auch nur seine Waffe heben konnte, bohrte sich schon ein
Hurak, der messerscharfe Wurfdolch der Wüstenbewohner, in seine
Kehle.
Mit einem
gurgelnden Geräusch fiel Paulartes zu Boden. Sekunden später
war die Leiche des Soldaten auch schon verschwunden und nur noch
eine Blutlache zeugte von dem Meuchelmord.
*
Als Fürst Edril
Ogestes das Verschwinden mehrere Wachen zähneknirschend
Hauptmann Ogestes meldete, gab der Führer der Stadtgarde
umgehend Alarm.
Aber es war
bereits zu spät, denn in der Zwischenzeit waren alle anderen
Wachen ebenfalls lautlos gemeuchelt worden und die Brut Dagazzs
erstürmte bereits die Mauern Achajas und ergoß sich in die
Stadt.
*
In kurzer Zeit
hatten die Dämonendiener die Vorstadt Achajas erobert und die
Einwohner des Viertels niedergemacht. Nur die Kinder und Babys
ließ Zar Tar am Leben, gaben sie doch für die Zukunft gute
Krieger für Dagazz ab.
Doch dann kam die
Angriffswelle plötzlich zu stehen. Fürst Edril erschien mit 300
Soldaten und führte seine Männer in Schildkrötenformation
gegen die Feinde. Stück für Stück drängte er die Dämonendiener
zurück und die Krieger holten sich blutige Köpfe als sie immer
wieder gegen den Wall aus Speeren und Metall stürmten.
Dann gab Fürst
Edril ein Zeichen. Eine Trompete erscholl und die Soldaten
stoppten und zogen sich geordnet wieder zurück. Unterdessen
tauchte Leutnant Laugestes auf und griff die Feinde mit seiner
Abteilung an. Die Dämonendiener ließen augenblicklich von Fürst
Edrils Mannen ab und griffen nunmehr Laugestes Mannen an.
Doch darauf hatte
Fürst Edril nur gewartet. Er gab ein Zeichen und Hunderte von
Speeren flogen den Feinden entgegen und ließen sie zu Dutzenden
tödlich getroffen zu Boden sinken. Doch die Fanatiker
sprangen einfach über ihre toten Kameraden hinweg, auf ihr Leben
nicht im geringsten achtend und griffen die Phalanx Laugestes an,
die unter dem Ansturm der Feinde wankte, doch standhielt. Schritt
für Schritt zogen sich die Soldaten schließlich zum Stadtkern
zurück. Dort erwartete ihn bereits Fürst Edril und verstärkte
mit seinen Mannen die dezimierten Soldaten Laugestes.
*
Die Phalanx der
Stadtgarde hielt die Angreifer nach wie vor vom Stadtkern fern.
Dort hatten sich auch die überlebenden Bewohner der Stadt
verschanzt.
Hauptmann Ogestes
stand neben Fürste Edril und Laugestes und seinen Mannen und
befehligte die Schlachtformation. Auf seinen Befehl flogen den
Feinden Speer um Speer und Pfeil um Pfeil entgegen und forderte
einen hohen Blutzoll unter den Dämonendienern.
Aber immer mehr
Feinde drängten sich in die Stadt und es schien als würde sie
mit ihrer Übermacht ihre Gegner erdrücken. Doch die
Stadtgardisten hielten stand und zogen sich geordnet Meter um
Meter zurück.
Als die Soldaten
alle Speere und Pfeile verschossen hatten, gab Ogestes den Befehl
zum Rückzug, tote und verwundete Kameraden zurücklassend.
Vor ihnen türmten
sich die Leichen der Feinde und hinter ihnen war der
aufgeschichtete Verteidigungswall, den die Bewohner Achajas aus
allen, was sie auf die schnelle finden konnten , errichtet hatten.
Hinter diesen
bezogen Ogestes und seine Mannen, deren Zahl auf 500 geschrumpft
war, schließlich Stellung und erwarteten mit ihren fast zwei
Meter langen Lanzen die Feinde.
Nach und nach
gesellten sich auch Einwohner Achajas hinzu, Männer wie Frauen,
mit Schwertern, Äxten und Dolchen bewaffnet zu den
Stadtgardisten und füllten die Lücken, die die Anhänger Dagazz
in dem blutigen Kampf gerissen hatten.
Seite an Seite
standen nun Soldaten neben Zivilisten und erwarteten den nächsten
Angriff, der auch nicht lange auf sich warten ließ.
*
Zar Tar wunderte
sich über den unbeugsamen Verteidigungswillen der Ungläubigen.
Er hatte mit so einer starken Gegenwehr nicht gerechnet. Aber
bald waren auch diese Narren vernichtet.
Er grinste, als
ihm plötzlich eine fruchtbare Idee kam.
Holt die Wüstenteufel!,
rief er seinen Untergebenen zu und rieb sich in wahrer Vorfreude
die Hände. Nun waren die Menschen Achajas verloren.
*
Ogestes stand
unterdessen vor den Überlebenden des Stadtrates, die heftig
miteinander stritten.
Was sollen
wir jetzt tun, Hautmann?, fragte ihn Pharan.
Ogestes schaute
den Mann an und überlegte nicht lange, denn er hatte sich
bereits einen Plan überlegt, wie er die Einwohner Achajas retten
konnte.
Wieviele
Pferde und Wagen haben wir noch in den versteckten Ställen der
Stadt, Pharon?
Nach meiner
Kenntnis ca. 1.500 Pferde und 40 Wagen sowie 15 Streitwagen.
Gut,
antwortete der Hauptmann. Pharon. Wir werden einen Ausbruch
mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wagen!
Aber
Ogestes ...
In einer
Stunde sind alle Wagen mit Menschen besetzt, die Pferde gezäunt
und gesattelt und die Streitwagen entsprechend bewaffnet.
Bewaffne alle Bewohner der Stadt, die noch keine Waffen haben.
Auch Kinder, wenn es sein muß. Das ist ein Befehl, Pharon!
Pharon und die übrigen
Stadträte nickten eingeschüchtert.
Also, los.
An die Arbeit !, machte ihnen Ogestes Beine.
*
Der hölzerne
Wall war nur noch mit den Resten der Stadtgarde und etwa 200 Männern
und Frauen besetzt, die entbehrt werden konnten.
Mit verkniffenen
Gesichtern sahen sie die Wüstenteufel, dämonische Kreaturen von
etwa 1,50 Meter Größe, die ihre Opfer mit messerscharfen
Krallen und Zähnen mir Vorliebe zerrissen auf sich zustürmen.
Auf allen Vieren liefen die Kreaturen dem hölzernen Wall
entgegen. Kein Laut war zu hören.
Hauptmann Ogestes
wartete unterdessen bis sich die Dämonen auf wenige Meter genähert
hatten, dann gab er das Zeichen.
Mit einem lauten
Schrei öffneten sich die Reihen der Verteidiger und die 15
Streitwagen unter Führung von Fürst Edril donnerten über den
Wall und fegten über die Wüstenteufel hinweg.
Hinter ihnen
folgten die 40 Wagen, schwer beladen mit den Einwohnern der
Stadt, angeführt von mehreren hundert Reitern und hinterließen
eine blutige Spur unter Mensch wie Dämon. Sie zerquetschten ihre
Feinde wie Trauben.
Als der
Wagensturm vorüber war, ließ Ogestes seine Soldaten und die
Verteidiger des Walles aufsitzen und mit etwa 600 Reitern
zermalmte er die überlebenden Feinde und führte seine Leute aus
der eroberten Stadt in die Freiheit.
*
Einige Stunden später
Nachdem Bane
seinen Vater begraben und sich dessen Schwert umgebunden hatte,
schielte er zum Himmel.
Meister
Arillion, überlegte er. Er hatte schon viel Gerüchte über
diesen seltsamen Einsiedler gehört. Manche raunten er sei einst
ein gefürchteter Zauberer gewesen. Aber wo sollte er nach den
alten Mann suchen? Da fiel ihm plötzlich etwas ein. Sein Vater
hatte ihn einst erzählt, daß Arillion in einer der vielen Oase
in der Nähe der Stadt Achaja lebte ....
*
Bane war einige
Tage unterwegs, als er die ersten Leichen fand. Er sah Männer,
Frauen und Kinder und einige Soldaten, die übel zugerichtet
waren. Ab und zu fand er auch die Überreste von Wüstenteufeln,
die anscheinend über die Menschen hergefallen waren. Umso mehr
er sich den Oasen näherten, umso öfters traf er auf die übel
zugerichteten Opfer der Wüstenteufel.
Er spie vor
Abscheu auf den Boden und zog sein Schwert, als er ein Geräusch
hörte. Und das nicht zu spät, denn ein verwundeter Dämon der Wüste
sprang ihn plötzlich an.
Bane hob im
Reflex sein Schwert und fiel zu Boden als das Gewicht der Kreatur
ihn zu Boden drücke. Er hatte schon mit seinen Leben
abgeschlossen, als der Wüstenteufel über ihm erschlaffte.
Als Bane aufschaute, sah er den Grund. Das Wesen war beim Sprung
in sein Schwert gestürzt.
Als sich der
junge Mann schwerfällig erhob und mit viel Mühe das Schwert aus
dem stinkenden Kadaver der Kreatur herauszog, sah er plötzlich
zwei Gestalten aus sich auf sich zukommen.
Er erhob sein
Schwert und war zum Kampf bereit, aber er sah, wie die
beiden Gestalten beschwichtigen die Hände hoben.
Wir wollen
dir nichts tun, junger Kämpfer, beruhigte ihn der ältere
der beiden kräftigen Männer. Mein Name ist Ogestes und
das ist Edril. Wir sind die beiden einzigen Überlebenden von
Achaja ...
2000 by Ingo Löchel