Diese Kurzgeschichte ist Katrin gewidmet, die mich mit ihrem Gedicht DAS EINSAME PHANTOM zu dieser Story inspiriert hat.
von
Ingo Löchel
Gib nur gut acht! Entdeckt er dich,
dann ist dein Schicksal fürchterlich.
Wenn er dich wählt, kommt er zu dir
als Schatten unter deiner Tür.
Er hüllt dich ein und bringt dich fort
an einen fremden, dunk'len Ort.
*******
ER hatte schon
lange keinen mehr am Leben gelassen, die ihm begegnet waren. Aber
vielleicht würde ER mal eine Ausnahme machen. Oder vielleicht
doch nicht?
Die Stadt war ein Sündenpfuhl und keiner, der hier lebte, war es wert am Leben zu bleiben. Oder vielleicht doch?
ER überlegte.
Gab es doch einige wenige Menschen, die es Wert waren nicht getötet
zu werden?
Seit einiger
Zeit war ER sich über SEINE Aufgabe nicht mehr so sicher, die ER
seit sehr langer Zeit erfüllte. War es richtig was ER tat?
ER wurde in
seinen Gedanken unterbrochen, als er Schritte vernahm. Schwere
Schritte von gleich mehreren Personen.
ER
konzentrierte sich auf die Gedanken der Ankömmlinge, doch die
waren zu chaotisch, um sie lesen zu können.
*
Ich würde
jetzt am liebsten einige Leute aufmischen. Wer ist mir egal ...
Sein beiden
Kumpel nickten ihm zustimmend zu und grölten.
ER beobachtete
die drei Menschen unterdessen angewidert. Glücklicherweise
konnten sie IHN nicht sehen. Denn für menschliche Augen war ER
unsichtbar. Jedenfalls wenn ER es so wollte.
Irgend etwas
hatte dieser Abschaum vor. ER spürte die Aufstauung von Haß und
Wut in ihren Seelen, die jederzeit ausbrechen konnte. Es bedurfte
nur eines kleinen Anstoßes, dann war das Chaos perfekt.
Mensch,
ich habe kein Bock mehr. Das Leben ist doch beschissen ....,
sagte einer der drei und warf seinen Kumpeln je eine Bierdose
entgegen, die diese mit Geschick auffingen. Sie öffneten ihre
Dosen und prosteten sich gegenseitig zu.
Und dann
geschah es. Normalerweise kam in diese abgelegene Gegend so gut
wie keine Menschenseele vorbei, sah man von dem Abschaum ab. Doch
als hätte der Teufel seine Hände im Spiel hörte ER plötzlich
Schritte, die sich näherten.
Auch die drei
jungen Männer hatten sie gehört und zwinkerten sich aufmunternd
zu. Wer auch immer jetzt und hier vorbeikam, würden den ganzen
aufgestauten Haß und die Wut auf alles und nichts der drei zu spüren
bekommen.
*
In seinen
langen Leben hatte ER noch keinen Menschen geholfen, denn er
hielt sie alle für minderwertig.
Doch ER überlegte,
ob ER nicht eine Ausnahme machen sollte, denn er konnte diese
drei, die sich hier ihren wenigen Verstand, der ihnen noch
geblieben war, wegsoffen, noch weniger leiden. Also beschloß er
sich zu etwas, was ER bisher noch nie getan hatte.
*
Der Junge war
allein. Schon seit Wochen schlug er sich auf der Straße herum
und nun war er in eine Gegend gelangt, die er nicht kannte.
Plötzlich
landeten vor und neben ihn eine Anzahl von leeren Bierdosen. Er
duckte sich, als eine weitere sich seinem Gesicht näherte.
Was
willst Du hier, du kleine Ratte?, fragte eine haßerfüllte
Stimme und plötzlich tauchten drei Gestalten auf, die nicht sehr
vertrauenserweckend aussahen.
Du hast
eine Minute Zeit von hier zu verschwinden, du kleine Ratten,
danach kannst Du was erleben.
Seine beiden
Kumpane sahen ihn überrascht an. Doch dann änderte der Sprecher
seine Meinung.
Wenn ich
es mir genau überlege, mischen wir Dich am besten gleich hier
auf. Wir erwischen Dich ja so wie so!
Der Junge
wollte weglaufen, trat einen der drei vors Schienbein, doch er
war nicht schnell genug. Einer von ihnen packte ihn und riß ihn
herum.
So, Du
kleiner Pisser. Jetzt bist du dran!
Der Junge
hatte schon mit seinem Leben abgeschlossen, als die drei plötzlich
innehielten, als sich ihnen eine Gestalt näherte.
Wer ist
denn das?, fragte einer von ihnen überrascht.
Noch so
ein Spinner, der sich mit uns anlegen will. Heute scheint unser
Glückstag zu sein!
Eher
Euer Unglückstag, murmelte der Fremde, als er vor
den drei Freaks stand.
Diese blieben
jedoch von den Worten des Fremden völlig unbeeindruckt. Ihre
Sinne waren von dem Bier schon so benebelt, daß sie die Gefahr
nicht bemerkten, die von der Gestalt ausging.
Weißt
Du was mit denen passiert, die uns ärgern wollen?
Der Fremde schüttelte
den Kopf.
Nein,
aber Du sagst es mir bestimmt, antwortete dieser mit einem
sarkastischen Unterton.
Der
stirbt einen grausamen Tod!
Den
werdet ihr in wenigen Sekunden auch sterben!
Bevor die drei
begriffen wie ihnen geschah, lösten sie sich vor den Augen des
Jungen in Nichts auf. Dann trat die Gestalt zu ihm und kniete
sich zu dem Jungen herunter.
Sie
werden Dir nichts mehr tun, beruhigte er ihn.
Wo sind
sie?
In
meiner Welt, aber dort werden sie nicht lange am Leben bleiben
...
Wer bist
Du?
Vielleicht
ein Freund?
Ich habe
keine Freunde, erwiderte der Junge trotzig.
Ich auch
nicht. Ein Grund mehr es einmal zu versuchen. Findest Du nicht?
Der Fremde
reichte dem Jungen die Hand. Dieser starrte die unheimlich
wirkende Gestalt einige Sekunden an. Doch die Angst, die er verspürt
hatte, war plötzlich verflogen. Und schließlich ergriff er die
Hand und folgte dem Fremden.
Du
brauchst keine Angst zu haben, junger Freund. Ich werde Dir
nichts zu! Du sollst mein Schüler werden und lernen, was ich
lange Zeit gelernt habe und vielleicht kann ich ja einiges auch
von Dir lernen ...
Sekunden später
waren beiden verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
2001 by Ingo Löchel