Diese Kurzgeschichte ist Katrin gewidmet, die mich mit ihrem Gedicht DAS EINSAME PHANTOM zu dieser Story inspiriert hat.
Ein Alp mit menschlichem Gesicht
Lebt unter uns im Tageslicht.
Er ist so alt wie unsre Zeit.
Wo Menschen sind, ist er nicht weit
Und huscht des Nachts von Tür zu Tür,
Denn Einsamkeit verbrennt ihn schier.
KATRIN GLASE
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ER haßte diese
schmutzige und gewalttätige Stadt, die die Heimat der
verdorbenen Menschen und ihre schwarzen Seelen waren. Wie
Kakerlaken krabbelten sie durch die Stadt, um das Gute, wo sie
auch fanden, für immer auszulöschen.
Es gab zwar auch noch einige wenige Menschen in der Stadt, deren
Seelen hell in der Schwärze leuchtete, wie ein Lagerfeuer im
dunklen Wald, doch auch deren Licht würde bald für immer verlöschen,
denn die Verdorbenen versuchten auch diese Menschen auf ihre
Seite zu ziehen oder zu morden, damit ihr helles Seelenlicht für
immer erlosch.
Aber ER würde es verhindern und diese Gottlosen für ihre
lasterhaften Tun bestrafen, wie er einst bestraft worden war. Mögen
ihre dunklen Seelen in der Hölle schmoren.
Als ER die junge Frau zum ersten Mal sah, hatten ihn längst
verschollene Erinnerungen übermannt. Erinnerungen aus glücklicheren,
längst vergangenen Tagen. Doch die Frau erinnerte IHN an noch
etwas. An SEINE große Liebe.
ER wurde aus einen Gedanken gerissen, als ER zwei Gestalten
bemerkte, zwei dieser schwarzen Seelen, deren einziger Gedanke
darin lag, ihren Gelüste und Triebe nachzugehen und zu
befriedigen. Nichts anderes konnte ER in diesen lasterhaften von
Alkohol und Drogen zerfressenen Gehirnen lesen. Und die beiden
hatten sich ein Ziel auserkoren: die junge Frau.
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Es war spät
geworden. Der Discobesuch hatte länger gedauert, als sie gedacht
hatte. Und nun mußte sie zu Fuß gehen, da die letzte U-Bahn vor
ihrer Nase weggefahren war, was ihr gar nicht behagte.
Sie haßte es alleine durch die nächtlichen Straßen der Stadt
zu gehen. Auch ein Taxi war nirgendwo zu entdecken. Es war zum
Verrückt werden, als hätte sich jeder gegen sie verschworen.
Sie beschleunigte ihren Gang, als sie plötzlich die beiden
Gestalten auf der anderen Straßenseite bemerkte. Die beiden Männer
waren schon seit einiger Zeit auf die junge Frau aufmerksam
geworden. Sie grinsten sich hinterhältig zu, nickten und folgten
der Frau provokant.
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ER haßte das, was
ER jetzt tun mußte, aber um eine gute Seele vor dem Bösen zu
schützen, mußte man leider des öfteren zu mehr als drastischen
Mitteln greifen.
Der Teufel würde sich wahrscheinlich über die beiden neuen
Seelen freuen, die bald in sein Reich reisen würden oder
vielleicht auch nicht. Mit großen Schritten folgte ER lautlos
den drei Menschen, deren Augen ihn nicht sehen konnte.
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Was wollen sie
von mir?
Die beiden Männer grinsten.
Wir wollen nur ein bißchen Spaß, Süße. Mehr nicht. Also
stell dich nicht so an!
Einer der beiden griff nach ihr und zerriss ihre Jacke.
Was fällt ihnen ein, erwiderte sie und schlug ihm
ins Gesicht.
Der Mann war erst verdutzt, dann verdüsterte sich sein Antlitz.
Das wirst Du mir büßen, du kleine Schlampe!
Er ergriff sie am Arm und wollte sie zu Boden zerren, dabei bekam
er Hilfe von seinem Kumpan, doch sie wurden in ihrem Tun abrupt
unterbrochen.
Eine Hand ergriff den einen Mann am Kragen und riß ihn zurück.
Mit einem Schrei flog er in hohen Bogen auf den Bürgersteig.
Der andere, der mitbekommen hatte, was mit seinem Kumpan passiert
war, ließ von der Frau ab und sah sich mit einem Gegner
konfrontiert, den er von Anfang an nicht gewachsen war.
Doch das wußte er nicht. Er griff er in die Innentasche seiner
Jacke und holte ein zweischneidiges Messer hervor.
Damit willst du mich beeindrucken?, hörte er die düstere
Stimme des Fremden.
Ohne auf die Frage zu reagieren stieß der Mann mit dem Messer zu.
Doch wo noch vor Sekunden der Fremde gestanden hatte, war nur
noch Luft. Bevor er wußte wie ihm geschah, packte der Fremde
seinen Arm, brach ihm mit einem Ruck das Handgelenk und packte
ihn am Kragen.
Als sich die Hand des Fremden um seinen Hals schloß, spürte er
einen Schmerz, der nicht eher aufhört bis der Tod ihn gnädig in
seine Arme auf nahm und ihn von seinen Qualen erlöste.
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Kommissar Adler
haßte es wegen einem Mord früh morgens aus dem Schlaf gerissen
zu werden. Aber Job war Job und so zog er sich hastig an, stieg
in seinen Wagen und fuhr zum Tatort, wo ihn bereits trotz
der frühen Stunde die Gaffer begrüßten.
Blödes Pack. Das Spannen ist wohl zu eine Art Volkssport
geworden, murmelte er und stapfte mißmutig zu dem
Gerichtsmediziner Wolf, der die beiden Leichen untersuchte.
Und was haben wir diesmal, Richard?
Wolf blickte auf.
Zwei männliche Leichen, Ende Zwanzig bis Anfang Dreissig.
Allen Anschein wurden sie ermordet.
Allen Anschein?
Ja, schau Dir den Hals der Leichen einmal an.
Der Gerichtsmediziner zog die Plane beiseite, die die Leichen
bedeckten und Adler betrachtete mit Interesse die schweren
Brandwunden am Hals.
Übel. Sieht ja beinahe so aus, als hätte jemand ihre Hälse
mit einer glühenden Zange bearbeitet.
Wolf nickte.
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Wo bin ich
hier?, fragte die junge Frau den Fremden, der sie gerettet
hatte.
Sie sind hier in Sicherheit. Hier wird Ihnen nichts
passieren.
Aber wo bin ich, hakte sie nach und blickte sich um.
Doch sie konnte in dem trüben Licht nicht viel erkennen.
Doch der Fremde ging auf ihre Frage nicht ein.
Ihr Freund ist hinter Ihnen her. Der Angriff der beiden Männer
war kein Zufall.
Ich habe mit meinem Freund Schluß gemacht. Ich glaube aber
nicht ....
Manche Menschen können Trennungen nicht so leicht
verkraften und können sehr gefährlich werden.
Die junge Frau wirkte nachdenklich.
Frank würde so etwas nie machen!
Selbst das Lamm kann manchmal zum Wolf oder zu etwas
schlimmeren werden.
Wie meinen Sie das?
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Einige Wochen später
Du mußt mich jetzt verlassen, Anja. Ein Mensch darf sich
in meinem Reich nicht so lange aufhalten, sonst stirbt er,
sagte der Fremde.
Aber ich will Dich nicht verlassen. Ich will hier bei Dir
bleiben!
Der Fremde lächelte. Das erste Mal seit vielen vielen Jahren war
er wieder glücklich. Er hatte schon beinahe vergessen wie Glück
geschrieben wurde. Die wenigen Wochen mit ihr hatten ihm zum glücklichsten
Wesen im ganzen Universum gemacht. Doch sie mußte ihn verlassen,
sonst würde sie sterben, wie die vielen anderen, die sein Reich
freiwillig oder unfreiwillig betreten hatten.
Er berührte ihr Gesicht und streichelte zärtlich ihre Wangen.
Ich liebe Dich auch, Anja, aber Du mußt gehen!
Die junge Frau nickte schließlich.
Ich weiß, aber werden wir uns wiedersehen?
Der Fremde nickte.
Ich werde immer über Dich wachen, Geliebte. Wer immer Dich
bedroht, wird meinen Zorn zu spüren bekommen!
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Adler war in dem
Mordfall nicht weiter gekommen. Wer hatte die beiden Männer
ermordet?
Die beiden Opfer waren keine Chorknaben gewesen, das hatte der
Kommissar schnell herausgefunden. Sie waren beide mehrfach
vorbestraft, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung und
versuchter Vergewaltigung. Also ganz besondere Exemplare.
Adler überlegte. Die wenigen Zeugen hatten von einer Frau
berichtet, die den Tatort verlassen hatte. Aber anscheinend nicht
allein, denn die Zeugen sprachen auch von einer zweiten Person,
die sie aber nicht näher beschreiben konnten. In den meisten Fällen
sprachen sie von einem Schatten, der die Frau begleitet hatte.
Einen Schatten!
Adler schüttelte den Kopf. Um den Kopf ein bißchen frei zu
bekommen, ging er im nahegelegenen Park joggen.
Nachdem er einige Runden gedreht hatte, hatte sich ein gewisses
Bild zu diesem Fall in seinem Kopf gebildet.
Ja, so könnte es gewesen sein, murmelte er und
drehte seine letzte Runde bevor er in Richtung seiner Wohnung
lief.
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Anja fühlte sich
seit sie das Reich des Fremden verlassen hatte nicht sehr wohl in
ihrer Haut. Sie vermißte ihn, mehr als sie sich eingestehen
wollte. Doch bevor sie ihre Gedanken sammeln konnte, bekam sie
unerwartet Besuch.
Das Klingeln an der Haustür ließ sie zusammenzucken und riß
sie aus ihren Gedanken. Als sie die Tür öffnetet stand Frank plötzlich
vor ihr.
Ich habe Dich vermißt, Anja, begrüßte er sie und
überreichte ihr einen Strauß roter Rosen. Wo warst Du nur
die ganze Zeit? Ich habe mir sorgen gemacht.
Die junge Frau betrachtete ihn. Sollte er für den Angriff der
beiden Männer verantwortlich. Er war reich und besaß überall
gute Kontakte, doch war er zu so etwas fähig?
Doch was hatte ihr der Fremde gesagt: Eine gekränktes Herz
kann zu einer gefährlichen Waffe werden und wo einst Liebe war,
ist nur noch Hass!
Willst Du mich nicht rein bitten?
Anja schüttelte energisch den Kopf.
Wir haben Schluß gemacht, Frank. Also laß mich bitte
zufrieden.
Von einer Sekunde zur anderen verwandelte sich sein freundliches
Gesicht in eine haßverzerrten Fratze.
Du verdammte Schlampe. Was bildet Du Dir ein!
Er stieß zur Seite, trat in die Wohnung und schloß hinter sich
die Tür.
Jetzt bist Du fällig!, murmelte er und schlug ihr
ins Gesicht.
Als er noch einmal zuschlagen wollte, wurde sein Arm plötzlich
von einer glühend heißen Hand gepackt. Frank schrie vor
Schmerzen auf.
Wer sind Sie?
Doch der Fremde, der wie aus dem Nichts erschienen war, ging auf
seine Frage gar nicht ein und Franks Worte gingen in einen
Schmerzensschrei über, als der Fremde ihn den Arm brach.
Du wirst nie wieder Hand an sie legen, Du verdammter
Bastard!
Die rechte Hand des Fremden umklammerte Franks Kehle und drückte
unbarmherzig zu bis der Körper des Mannes erschlaffte. Dann
wandte sich der Fremder zu Anja, die sich vom Boden erhob.
Alles in Ordnung?
Sie nickte und schaute auf den leblosen Körper Franks.
Ist er ...?
Der Fremd nickte.
Ja, seine Seele schmort auf ewig in der Hölle!
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Kommissar Adler
wunderte sich in seinem Job über nichts mehr. Er hatte schon
manch seltsames erlebt und als er die Leiche von einem gewissen
Frank Fabian betrachtete und die Brandmale an seinem Hals sah,
verzog sich seine Mundwinkel zu einem Grinsen.
Warum grinsen Sie, fragte ihn der Gerichtsmediziner.
Wissen Sie, wer dieser Frank Fabian ist?
Nein, aber sie sagen es mir bestimmt.
Der Bruder von den beiden Opfern, die in der Leostrasse
entdeckt wurden.
Die mit den Brandwunden am Hals?
Adler nickte.
Ah ja, ich erinnere mich und was ist der Witz daran?
Jeder bekommt seine gerechte Strafe im Leben. Die einen früher,
die anderen später, Richard.
Der Gerichtsmediziner verstand kein Wort.
Ich verstehe immer noch nicht.
Das brauchen Sie auch nicht, erwiderte Adler, holte
ein Zigarillo aus seinem ledernen Etui und verließ nachdem er
sich den Glimmstengel angezündet den Tatort.
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Hast auch du
Ein menschliches Herz
Dunkle Macht?
Was hältst du
Unter deinem Mantel
Das mir unsichtbar kräftig
An die Seele geht?
Du scheinst nur furchtbar
Köstlicher Balsam
Träuft aus deiner Hand
Aus dem Bündel Mohn
In süßer Trunkenheit
Entfaltest du die schweren Flügel des Gemüths.
Und schenkst uns Freuden
Dunkel und unaussprechlich
NOVALIS
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EPILOG
Muß ich jetzt sterben?
Der Fremde schüttelte den Kopf.
Nein, Anja. Du wirst leben!
Er überreichte ihr eine silberne Kette mit einem roten Anhänger,
der im inneren zu pulsieren schien.
Das ist der Lebensstein, Geliebte. Solange du ihn trägst,
werden wir für immer zusammen sein.
Für immer?
Der Fremde nickte und lächelte glücklich.
Ja, Anja. Für immer!
Ingo Löchel ©2001