INGRID
B. BERLET
Schattenwelt
Schlagendes
Herz.
Ein Wispern in der Dunkelheit, ein höriger Moment des Schweigens.
Pulsierendes Leben, das eine Witterung verbreitete, die Sehnsucht
barg, die alles verkörperte was Leben bedeuten mochte. Was war
schon ein Körper ohne schlagendes Herz, er war eine leere Hülle,
ohne wirkliche Seele, ohne wirkliche Tiefe.
Tote vermochten nicht zu lächeln, nicht zu weinen, sie konnten
keine Angst verspüren. Todesangst, ihr Geruch war einzigartig,
er ging über den verlassenen Gassen, erfüllte die Luft mit
Nuancen des Lebens. Wie es wohl kein anderer Geruch vermochte.
Die Dunkelheit war um mich, wie sie immer um mich gewesen war.
Hier war es still, es gab keine Geräusche, nicht einmal ein
Auto, das mit stinkenden Motor vorbeizog. Nur die Stille schien
es zu geben, verlassene Häuser. In denen der Verfall seinen
Dienst erfüllte, herausgebrochene Scheiben, ohne Seele waren die
Häuser. Denn ihnen war ihr Spiegelbild genommen worden, das
Spiegelbild ihrer Seele.
Schritte.
Es waren schwere Schritte eines Mannes. Ein leichtes Lächeln
zauberte sich auf meine Lippen. Der Wind umspielte mich mit
seiner heftigen Kälte, die mich doch nur mehr erregte.
Ich lehnte an einer der alten, baufälligen Mauern. Es war
Sandstein, rötlicher Sandstein, vom Regen, wie vom Taubenkot
zersetzt, es mochte einmal eine Statue gewesen sein, doch was es
jetzt war, entging meiner Kenntnis.
Die Kälte war um mich herum, ich konnte sie fühlen, doch ließ
ich sie mich nicht erschauern. Kein Mond erhellte die Nacht,
nichts schien real zu sein. Außer meinen Schatten, der von einer
grellen Straßenlampe geworfen wurde.
Schritte.
Klapp, klapp, eine Gestalt kam auf mich zu.
Groß, kräftig, ein Mann. Vielleicht ein gefährlicher Mann. Wer
konnte das sagen. Ich blieb stehen, rührte mich nicht von der
Stelle, als wäre ich aus dem Stein, auf dem ich mich lehnte,
meine Konturen nur schärfer nachzogen, weil ich nicht verfallen
war, wie die anderen Dinge um mich herum. Weil ich noch lebte,
und leben würde, selbst wenn sie zu Asche zerfallen wären.
Irgendwo klapperte ein Fenster im Wind, ein Auto fuhr an, und
verschwand mit einen Dröhnen, das beinahe schwer wirkte in
dieser Nacht aus meinen Umfeld und ließ mich mit den Schritten
des großen Mannes alleine.
Tote Stadt.
So war sie in diesen Augenblick, erfüllt von allen Toden.
Der Mann blieb dicht vor mir stehen. Er hatte ein aufdringliches
Wesen. Mit gelangweilten Blick sah ich ihn an. Ein bulliger
Mensch, mit einen unästhetischen Gesicht, in dessen kalten Augen
ich mich sehen konnte.
Für ihn sinnlich, schön. Jung, zierlich, mit strahlend blauen
Augen, und dichten schwarzen Haar. Einen begehrenswerten Körper,
der kaum von Stoff verhüllt war. Wer in diese Gasse kam der wußte
was er wollte, und ich wußte es auch.
Doch ich wollte etwas anderes als er wollte, und jemals dazu in
der Lage war. Mein Gesicht veränderte sich leicht, doch er
bemerkte es in seiner Gier nicht. Ich konnte ihn zittern sehen,
keine andere Frau würde ihn anrühren wollen. Nun, ich würde es
tun, doch auf eine Weise die er sich niemals träumen ließ.
Selbstsicherheit spielte eine große Rolle in meiner Aura. Ich
stellte einen Fuß an die Mauer hinter mir, der Rock rutschte bis
auf den Ansatz hinauf, der Mann grinste dreckig, und wollte seine
Hand auf meinen bloßen Schenkel legen.
Ich funkelte ihn nur an.
"150 Vorrauskasse."
Er grinste noch dreckiger, was ich beinahe nicht mehr für möglich
gehalten hätte. Ich legte meinen Kopf schief, meine
Selbstsicherheit war noch immer die selbe, und sie würde sich
nie ändern.
"Ganz sicher mein Süßer, weißt du, ich habe nämlich
jemanden dabei, weil eine Frau wie ich Schutz braucht. Entweder
zu gehst, zahlst und wir schieben die Nummer, oder er wird dir
die Kehle aufschneiden.
Keine andere Möglichkeit mein Lieber."
Es war ein Bluff, ein richtiger Bluff, weil es niemanden gab der
hier war, außer mir, und das genügte immer. Ich wurde mit jeden
Menschen fertig, ich würde es auch mit ihm schaffen. Egal wie,
es würde gelingen.
Wie alles gelang in meinen Leben.
Er grinste nicht mehr so dreckig, stopfte mir zwei Hunderter in
meinen Ausschnitt, fuhr mit der Hand auf meinen Brüsten herum.
Ich lächelte leicht.
Keinerlei Erregung bei diesen Typen. Also gut, bringen wir es
hinter uns. Er begrabschte mich dauernd, bevor er mit beinahe
sabbernden Lippen erkannte, daß ich in einen dunklen, leeren
Raum ging. Wo mich niemand schreien hören konnte. Er packte mich
von hinten, riß mir das Oberteil vom Körper. Die Geldscheine
flogen irgendwo in die Dunkelheit.
AH, er stand auf Schmerz. Brutal drängte er mich an eine rauhe,
eisige Wand. Seine Hand fuhr zwischen meine Beine, brutal und
ohne Rücksicht, und er grinste immer noch dreckig. Nun, jetzt
war es genug!
Ich drehte mein eines Handgelenk das er mit der anderen Hand
hielt, und brach seinen Knochen. Er schrie auf und fuhr taumelnd
zurück. Schmerz lag in seinen Augen, Unglauben, und Angst. Ich
knotete in aller Ruhe meinen Rest vom Oberteil wieder zusammen.
Fuhr durch meine Haare, verknotete sie.
Nein, Sex mit diesem würde keinen Spaß machen. Also warum
hinauszögern? Ich war hungrig. Er taumelte in der vollkommenen
Dunkelheit, die für mich nicht vollkommen war, an eine der Wände.
Der schwere Metallanhänger lag auf meiner bloßen Haut, er fühlte
sich gut an, so unglaublich gut.
Ich legte den Kopf zurück, und lachte, es war mehr das Lachen
eines Wolfes. Heulend, und unheimlich für menschliche Ohren. Nun
ich konnte schnell und langsam töten. Dieser hier wollte
qualvollen Spaß von einer willigen Frau, egal ob sie dann
sterben würde, wenn er seinen Gelüsten nachgegeben hatte. Doch
das würde er nie wieder tun.
Ich konnte ihn sehen, Schweiß auf der Haut, Angst in den Augen,
ein dunkler Fleck breitete sich von seinen Schritt nach unten aus.
Ja, ich konnte diese Angst fühlen, sie wittern.
Ich blieb dicht vor ihm stehen, ballte meine Hand zu einer Faust,
und rammte sie ihm in den Magen.
Das Fettgewebe vibrierte wie bei einen Schlag auf ein Kissen.
Er stöhnte, Blut kam aus seinen Mund. Bevor er zusammensacken
konnte, packte ich seinen Hals, und hielt ihn aufrecht, brach
sein Genick genau an der Stelle, an der er noch voll lebensfähig
war. Es kostete mich keinerlei Mühe. Erst dann wischte ich mit
einen Taschentuch aus seinen Jackett das Blut weg. Ich mochte den
Geschmack nicht sonderlich. Ich legte meine Lippen auf diesen
menschlichen Krüppel, und nahm mir was mir gehörte. Das Leben
war pur und sinnlich, es rann aus ihn heraus, wie eine Vision,
wie ein tödlicher Hunger der nie gestillt werden konnte.
Ich zitterte unter dieser Erregung, preßte mein eines Bein gegen
seine schwere Hüfte. Ja, das war es was ich gewollt hatte von
ihm. Doch es war schon lange her, daß ich es mir so brutal holen
mußte, so voller Grausamkeit. Ich schmeckte etwas Blut als ich
von dem Körper abließ, und er schwer zu Boden sackte. Wie ein
dumpfer hohler Sack.
Er atmete noch, doch das war mir egal, ich wischte mir das Blut
aus den Gesicht, starrte noch einen Augenblick auf diesen
Menschen, der den Namen nicht verdient hatte. Seine Augen zuckten
wie wild, er war gefangen, in einen schweigenden Körper gefangen.
"Goodby, honny."
Ich ging hinaus, konnte fühlen wie er kämpfte, wie er verlor.
Sollte ich vielleicht zum Spaß eine Ambulanz herbeordern? Wäre
doch für diesen Mistkerl die gerechte Strafe, um ewig gefangen
zu sein in einen Toten Körper.
Nein, er sollte sterben, und das ziemlich langsam. Irgendwann würde
man ihn finden. Ich zog aus meiner Jackentasche eine Schachtel
Zigaretten und zündete mir eine an. Das Geld hatte ich
liegengelassen. Es war schmutziges Geld, ich brauchte es nicht,
ich hatte genug.
Ich ging auf den Ausgang der Gasse zu, als ein schwerer Mercedes,
ganz in schwarz, vor mir hielt. Ich sah das große Auto von der
Seite an. Vielleicht noch ein kleines Dessert?
Warum nicht. Ich schob meinen Rock etwas hoch, so das man meine
makellosen Beine sehen konnte, schwang meine Hüften. Das
Oberteil zerriß bald von der schwankenden Bewegung.
Eine der abgedunkelten Scheiben wurde heruntergedreht. Ich konnte
ein helles Gesicht erkennen. Ich blickte nicht zurück, sondern
ging auf den Wagen zu. Betrachtete mein Spiegelbild.
Die polierte Oberfläche des Wagens, und die getönten Scheiben
warfen das Bild einer mittelgroßen Frau zurück, die einen sehr
kurzen Rock trug, der geschlitzt war. Das knappe Oberteil
zerrissen und wieder gebunden, nicht unbedingt ein Provisorium.
Vielleicht ein bißchen guter Sex vor dem letzten Essen, das wäre
nicht schlecht.
Meine hohen Stiefel und die schwarze Lederjacke gaben dem ganzen
Outfit den Abschluß. Ich war eine Nutte, doch eine besondere,
die kein Geld wollte.
Nur das Leben ihrer Kunden.
Ich beugte mich aufreizend zum Fahrer hinüber, doch fuhr ich
enttäuscht zurück, stieß einen wütenden Schrei aus.
Ich hörte wie die Tür geöffnet wurde, schwere Schritte. Ich
wandte mich um, wütend, und schlug auf das Autodach, das nachgab.
Er betrachtete die ganze Szene vollkommen ungerührt.
"Hast du einen anderen erwartet?"
Er fragte es in einen sanften Tonfall ohne besondere Gefühle.
Nein, eher wie ein alter Bekannter. Ich sog an meiner Zigarette,
schnippte die Asche weg. Meine hohen Stiefel erzeugten kratzende
Geräusche auf den Asphalt. Ich blickte ihn wieder an, Wut war in
mir. Er trug, wie ich, den Anhänger der Wiederauferstehung, Phönix
aus der Asche. Sein Aussehen war sehr geschmackvoll und
kultiviert. Das war er immer gewesen.
"Hau ab, ich habe zutun."
Ich ging weiter, doch er blickte mich nur an, sein Gesicht
versteinerte sich. Ich schluckte schwer.
"Steig ein."
Mehr sagte er nicht, und stieg selber ein, als wäre das daß
normalste von der Welt, was er verlangen würde. Ich war wütend,
unglaublich wütend, ich schnippte die Reste der Zigarette weg,
und rammte die Tür auf, so daß sie bald auf der Straße gelegen
hätte.
Ich ließ mich auf den komfortablen Sitz des Benz gleiten. Mit
Energie schloß ich die Tür, es waren Panzerscheiben, dennoch
zeigten sich feine Risse in ihrer Struktur. Er blickte mich mißmutig
an. Als wäre es eine Untat das zutun. Er hatte immer gute
Manieren gehabt, doch ich pfiff seit meiner Auferstehung darauf.
Der Motor schnurrte lautlos, und wir fuhren aus diesen
Hinterhofszenario hinaus. Hinaus in die Stadt, in der es Leben
gab, pures, reines Leben. Ich rammte meine Stiefel auf das edle
Holzbort des Benz, zerkratzte den Lack, ließ meinen Rock bis zum
Ansatz meines Spitzenhöschens rutschen. Er wurde nervös. Das
gefiel mir, das gefiel mir sogar sehr gut. Ich strich über meine
bloßen Oberschenkel entlang. Er starrte auf den Verkehr, doch
konnte ich sehen, daß er ziemlich an der Grenze stand. Wie schon
oft.
Ich zuckte mit den Schultern, und zündete mir eine Zigarette an.
Der Rauch wallte um mich herum, hüllte das Innere des Autos ein.
Ich öffnete die Seitenscheibe, schnippte Asche hinaus. Er fuhr
sehr schnell.
"Du hast es sehr eilig. Hast du Angst, ich könnte
rausspringen?"
, er blickte mich kalt von der Seite her an. Mit einen lässigen
Schlenker überholte er mehrere Autos, um gerade noch knapp vor
dem entgegenkommenden Verkehr wieder zurückzukehren. Nun wir
waren eben unsterblich, das bezog sich auf die Seele wie auf den
Körper.
Er trug einen perfekt sitzenden Maßanzug, das Amulett des Phönix
glänzte in der Dunkelheit. Anscheinend war er noch nicht dazu
gekommen, sich seine Beute zu holen. Armer Kerl, immer so zurückhaltend.
Ich wußte, daß das 'Normal Limit' bei einen von uns bei vier
Toten im Jahr lag. Manche brauchten mehr, doch ich brauchte zwei
in einer Nacht. Das war schon immer sehr ärgerlich gewesen. Doch
ich hatte nie um dieses unsterbliche Leben gebeten, nicht einmal
auf meinen ersten Totenbett.
"Du siehst gut aus."
Er stellte es einfach fest, als wäre es das normalste von der
Welt. Ich lachte trocken und bitter auf. Ich kannte ihn zu gut um
nicht das dahinter zu hören. Die Gestalten, die hinter ihm
standen. Ich hatte keine Angst vor dem Tod, nie, und jetzt würde
ich damit nicht anfangen. Ich sog den Rauch tief ein, dann
schnippte ich die Zigarette hinaus.
"Danke für die Blumen, doch normalerweise kommst du
nicht in diese dunklen Ecken, um Nutten zu filzen.
Es ist nicht deine Art dich mit diesem Abschaum abzutun. Ich weiß
das du etwas vorhast und das ist etwas anderes als Höflichkeit."
"Warum bist du eingestiegen?"
Ich wandte meinen Blick ab, und starrte nach vorne, als könnte
mir das jede Wahrheit der Welt sagen. Doch dem war nicht so, die
Straße glitt schnell und lautlos vorbei. Hier war ich verloren
in seiner kalten dunklen Welt. Von Disziplin, und
Leidenschaftslosigkeit geprägt. Auch wenn ich immer auf die
Disziplin pfiff, war es wie ein Urtrieb, diesen Rufen zu folgen.
"Ohgam, du bist so rebellisch, du versuchst alles zu zerstören.
Sind wir dir den vollkommen egal, die Familie?"
Er wurde sanfter mit seiner Stimme, ein leichtes Lächeln zeigte
sich auf seinen Gesicht. Ich legte meine Hände auf die bloßen
Beine, starrte hinaus, als würde die Finsternis alles
preisgeben, was sie je gewußt hatte.
"Ich habe nichts mehr zu verlieren, und du weißt das! Ihr mögt
ja eine wunderbare Familie sein, doch mich habt ihr nie
angenommen. Das konntet ihr auch nicht. Also stell dich nicht so
an, du bist nicht gekommen um alte Geschichten auszugraben, dazu
kenne ich dich zu gut mein Lieber."
Er wurde wieder sehr ernst, bog in eine Seitenstraße ab, in der
es dunkler, und sehr viel ruhiger war. Ein flaues Gefühl
breitete sich in meinen Magen aus. Glitt langsam nach oben, wie
unverdaute Nahrung, doch dieses Gefühl war so alt wie ich, denn
ich kannte es nicht mehr.
Ich erinnerte mich nur daran.
"Du weißt worum es gehst, du provozierst diese Menschen um
sie dann für dich sterben zu lassen. Ich habe dich beobachtet,
du hast gespielt, verdammt hoch sogar.
Was gefällt dir so gut daran?"
"Ich war noch nie ein Engel, und habe nie behauptet einer zu
sein. Ich trage das nicht aus Spaß an der Freude," verächtlich
hielt ich das Medaillon hoch, "ich bin nicht von einen von
euch auserwählt worden, sondern bin einfach wiedergeboren worden.
Also stell dich nicht so an. Ich war vorher eine Nutte, und jetzt
bin ich wieder eine.
Mir macht es Spaß, grausam zu sein. Mir bereitete es Freude, Männer
zu quälen. Du weißt das mich ein Mann nach einer Vergewaltigung
umgebracht hatte. Also halte dich zurück, du mit deinen
wunderbaren Ehrenbezeichnungen, deinem holden, vorbildlichen
Verhalten. Das hat in meiner Welt noch nie etwas verloren gehabt."
"Ohgam..."
Ich hob nur die Hand, und er brach ab. Mit zögernder Fahrt glitt
er weiter in die dunkle Ecke dieses noblen Viertels. Er hielt vor
einen alten, robusten Haus an. Mein Herz sackte in die Hose, und
alles war eigentlich egal.
Sie wollten mich richten!
Nun, das sollten sie tun, ich war es schon in meinen richtigen
Leben überdrüssig, gefangen in Regeln zu sein, und jetzt in
meiner Unsterblichkeit, war ich bereit alles mögliche zu tun,
damit sich daran nichts änderte. Manchmal dachte ich an die
alten Sagen von Vampiren, und ihrer Freiheit. Nun sie kannten uns
nicht, oder besser gesagt mich.
Plötzlich war mir alles egal, ich riß die Tür auf, sprang
hinaus. Er war schneller als ich, stand keine Sekunde vor mir,
packte meine Hände. Doch ich streifte sie ab. Ich hatte Kraft für
zehn von unserer Sorte, und das wußten sie genau. Er funkelte
mich an, ich nahm eine Zigarette und zündete sie an, blies ihm
den Rauch ins Gesicht. Er wandte sich angewidert ab.
Nun er war nicht immer so gewesen, in manchen Momenten war ich
anscheinend sehr angenehm im Bett gewesen. Ein leckeres Häppchen,
das wirklich einfallsreich war, was die Erotik betraf. Nun ich
war lange genug in diesen Gewerbe um alle Stellungen zu kennen.
Ich drückte ihn beiseite, obwohl er größer und äußerlich kräftiger
war als ich, und ging auf das Tor zu. Rammte es mit meinen
Stiefel auf, ging hinein. Das Schloß blieb lose am Stein hängen.
Es war alles egal. In mir war nur eine grenzenlose Wut, die
verlangte, alles zu zerstören was sich in meinen Weg stellte.
Das Haus war dunkel und schwer, Bedrohung lag in seinen
Wesen. Doch das belastete mich nicht, nichts konnte mich mehr
erschrecken. Auch nicht das kahle Innere, die leeren Räume, die
Spinnweben die in den Ecken hingen. Unendlich lange Gänge, die gähnenden
Schlünde der Dunkelheit waren. Ich warf meine Zigarette
irgendwohin, hörte ein leises Fluchen von meinen ansonsten
stillen Verfolger, und ging auf die breite, schwere Metalltür zu.
Sie paßte nicht in dieses Haus, wie sie nirgends hinzupassen
schien. Die Tür trug das selbe Symbol wie ich und er es trugen.
Der Phönix, ein Wesen voller Edelmut, Tapferkeit, holder Ideale.
Doch nicht so bei mir. Ich liebte das Leben, auch wenn ich schon
tot war. Vielleicht war ich noch nicht lange genug tot.
Die schweren Türflügel öffneten sich lautlos, beinahe dachte
ich das Quietschen in den Angeln zu hören, das tonlose Wispern
der Mauern die diesen Raum umgaben. Vielleicht einen heiligen
Raum, doch für mich war er unheilig.
Meine hohen Absätze erzeugten ein klapperndes Geräusch als ich
den leeren Raum betrat. Nur ein großer Schreibtisch stand dort,
aus schwarzen Stein. Hinter dem Schreibtisch, der vollkommen
leer, und glattpoliert war, konnte ich das Symbol unserer Macht
sehen. Das geheime Zeichen UNSERER Familie, wie sie auch genannt
wurde.
Aber nicht meiner.
Eine Frau saß vor diesen Symbol, zurückgelehnt auf einen
thronartigen Gebilde, aus grauen Holz, mit etlichen Symbolen
darauf. Sie war erhaben, ruhig, mächtig.
Gegen sie hatte ich keine Chance, sie war eine der Ältesten, wußte
mehr als ich über unsere Fähigkeiten, eine wahre Heldin ihres
Wesens. Wann sie das letzte Mal einen Tod genommen hatte, keine
Ahnung, doch es war Jahre her. Dennoch war sie voller Kraft auch
wenn die Haare langsam grau wurden, die Haut etwas Falten
bekommen hatte, wirkte sie dennoch wie eine Dreißigjährige.
Doch die Augen waren die eines uralten Menschen.
Eines unsterbliche.
Ich spreizte meine Beine, spürte ihn hinter mir, doch es war
egal. Er war schon immer ein treuer Hund gewesen. Ein Lebewesen
das man nicht ändern konnte. Das Ideal.
Die Frau legte die Hände auf die überschlagenen Beine, blickte
mich prüfend an. Ihr Blick sagte mehr als alle Worte es wohl je
tun mochten.
"Ohgam, was sollen wir mit dir tun?"
"Mich töten?" , fragte ich höhnisch. Sie hatten mich
nie gewollt, doch ich war eine der ihren geworden. Angenommen
hatten sie mich nie, konnten es auch nicht.
Denn ich war anderes, gewalttätig, und jetzt hatte ich die Macht
dazu, so zu sein, wie es sein sollte. Wie ich es gerne wollte, mächtig
und gefährlich.
"Vielleicht, doch du kannst daran etwas ändern. Was hälst
du davon in eines der Mutterhäuser zu gehen, für einige Jahre.
Um dich zu besinnen, um zur Ruhe zu kommen."
Wie sie das aussprach, war wie ein eisiger Windhauch, der alles
lebendige aus den Raum vertrieb, falls so etwas überhaupt noch
vorhanden gewesen war. Ich wußte es nicht, doch ich hatte Angst.
Sie machte mir Angst. Dann kam ein anderer Gedanke: Was wäre,
wenn sie mich einsperren würden, für immer und ewig, hungernd,
gierend nach Leben.
Es war ein kaltes Gefühl das ich spürte, weil ich eine unruhige
Seele in meinen Tod war und so immer sein würde. Ich ging auf
den Tisch zu, riß das Halsband von meinen Genick, ließ den Anhänger
auf den schwarzen Tisch fallen. Es war ein hallendes Geräusch.
Michael hinter mir schnaufte entsetzt, die Mutter rührte
sich keinen Millimeter. Sie nickte nur, nahm den Anhänger an
sich.
"Du weißt was du willst, vielleicht bewundere ich dich
sogar dafür. Das hier ist nichts, und wir brauchen es auch nicht.
Doch was bist du ohne uns?
Was ohne deine Familie?"
Ich hob das Kinn, blickte sie nachdenklich an, strich mir das
Haar aus den Gesicht. Sie hatte recht, zum wiederauferstehen
brauchte ich das nicht. Denn ich war unsterblich geboren, doch
damit gab ich alles auf was mir je etwas bedeutet hatte. Meine
Familie, meine Zukunft. Ich schüttelte diese Gedanken ab. Was
war es für eine Familie gewesen, was für eine Zukunft.
"Ich verstehe sehr gut Mutter. Doch ich kann hier nicht mehr
atmen, ich will nicht mehr hier sein. Ich gehe, und hoffe
niemanden von euch Bastarden je wieder zu sehen."
Sie schien traurig zu sein, "ich bin schon lange nicht mehr
gestorben, doch es kann grausam sein. Denke daran mein Kind. Denn
ein Kind bist du noch, unwissend, und unreif.
Du kennst den grausamen Tod, vielleicht ist das deine Stärke.
Vielleicht ist es besser so, doch du wirst keine Hilfe mehr
bekommen von uns, das weißt du sehr genau. Weil wir nicht mehr
helfen können, einen der nicht mehr zu uns gehört.
Bete für einen einfachen Tod, und eine sanfte
Wiederauferstehung, vielleicht ist im nächsten Leben alles
anderes."
Ich wandte mich um, teils erleichtert, teils verbittert. Funkelte
Michael an in seinen tollen Anzug, in seinen tollen Outfit, und
ging hinaus, durch dieses tote Haus.
In ein totes Leben, das in einen grausamen Tod führen würde.
Doch ich wusste wie es war, aus Gräbern wieder aufzuerstehen,
aus der Dunkelheit ans Licht zu kommen.
Und was für ein Licht würde es wieder sein, ein Licht der
Freiheit, einer grenzenlosen Freiheit?
Ich trat hinaus in die Dunkelheit, schritt über den Bordstein in
die Nacht hinein. Einer Nacht die nur mir gehörte, nur mir und
niemanden sonst.
Ich war gestorben um frei zu sein, doch wiederauferstanden in
einen anderen Gefängnis.
Aber jetzt war ich wiedergeboren um frei zu sein, die Luft zu
schmecken, das Leben zu lieben.
Und nichts würde mich daran hindern, ich war keine mehr von
ihnen. Ein Wagen hielt an, ein älterer Mann öffnetet die Tür,
er lächelte schüchtern, und ich lächelte zurück.
Es gab noch viel zu tun.