INGRID B. BERLET

Schattenwelt

Schlagendes Herz.
Ein Wispern in der Dunkelheit, ein höriger Moment des Schweigens.
Pulsierendes Leben, das eine Witterung verbreitete, die Sehnsucht barg, die alles verkörperte was Leben bedeuten mochte. Was war schon ein Körper ohne schlagendes Herz, er war eine leere Hülle, ohne wirkliche Seele, ohne wirkliche Tiefe.
Tote vermochten nicht zu lächeln, nicht zu weinen, sie konnten keine Angst verspüren. Todesangst, ihr Geruch war einzigartig, er ging über den verlassenen Gassen, erfüllte die Luft mit Nuancen des Lebens. Wie es wohl kein anderer Geruch vermochte.
Die Dunkelheit war um mich, wie sie immer um mich gewesen war. Hier war es still, es gab keine Geräusche, nicht einmal ein Auto, das mit stinkenden Motor vorbeizog. Nur die Stille schien es zu geben, verlassene Häuser. In denen der Verfall seinen Dienst erfüllte, herausgebrochene Scheiben, ohne Seele waren die Häuser. Denn ihnen war ihr Spiegelbild genommen worden, das Spiegelbild ihrer Seele.
Schritte.
Es waren schwere Schritte eines Mannes. Ein leichtes Lächeln zauberte sich auf meine Lippen. Der Wind umspielte mich mit seiner heftigen Kälte, die mich doch nur mehr erregte.
Ich lehnte an einer der alten, baufälligen Mauern. Es war Sandstein, rötlicher Sandstein, vom Regen, wie vom Taubenkot zersetzt, es mochte einmal eine Statue gewesen sein, doch was es jetzt war, entging meiner Kenntnis.
Die Kälte war um mich herum, ich konnte sie fühlen, doch ließ ich sie mich nicht erschauern. Kein Mond erhellte die Nacht, nichts schien real zu sein. Außer meinen Schatten, der von einer grellen Straßenlampe geworfen wurde.
Schritte.
Klapp, klapp, eine Gestalt kam auf mich zu.
Groß, kräftig, ein Mann. Vielleicht ein gefährlicher Mann. Wer  konnte das sagen. Ich blieb stehen, rührte mich nicht von der Stelle, als wäre ich aus dem Stein, auf dem ich mich lehnte, meine Konturen nur schärfer nachzogen, weil ich nicht verfallen war, wie die anderen Dinge um mich herum. Weil ich noch lebte, und leben würde, selbst wenn sie zu Asche zerfallen wären.
Irgendwo klapperte ein Fenster im Wind, ein Auto fuhr an, und verschwand mit einen Dröhnen, das beinahe schwer wirkte in dieser Nacht aus meinen Umfeld und ließ mich mit den Schritten des großen Mannes alleine.
Tote Stadt.
So war sie in diesen Augenblick, erfüllt von allen Toden.
Der Mann blieb dicht vor mir stehen. Er hatte ein aufdringliches Wesen. Mit gelangweilten Blick sah ich ihn an. Ein bulliger Mensch, mit einen unästhetischen Gesicht, in dessen kalten Augen ich mich sehen konnte.
Für ihn sinnlich, schön. Jung, zierlich, mit strahlend blauen Augen, und dichten schwarzen Haar. Einen begehrenswerten Körper, der kaum von Stoff verhüllt war. Wer in diese Gasse kam der wußte was er wollte, und ich wußte es auch.
Doch ich wollte etwas anderes als er wollte, und jemals dazu in der Lage war. Mein Gesicht veränderte sich leicht, doch er bemerkte es in seiner Gier nicht. Ich konnte ihn zittern sehen, keine andere Frau würde ihn anrühren wollen. Nun, ich würde es tun, doch auf eine Weise die er sich niemals träumen ließ.
Selbstsicherheit spielte eine große Rolle in meiner Aura. Ich stellte einen Fuß an die Mauer hinter mir, der Rock rutschte bis auf den Ansatz hinauf, der Mann grinste dreckig, und wollte seine Hand auf meinen bloßen Schenkel legen.
Ich funkelte ihn nur an.
"150 Vorrauskasse."
Er grinste noch dreckiger, was ich beinahe nicht mehr für möglich gehalten hätte. Ich legte meinen Kopf schief, meine Selbstsicherheit war noch immer die selbe, und sie würde sich nie ändern.
"Ganz sicher mein Süßer, weißt du, ich habe nämlich jemanden dabei, weil eine Frau wie ich Schutz braucht. Entweder zu gehst, zahlst und wir schieben die Nummer, oder er wird dir die Kehle aufschneiden.
Keine andere Möglichkeit mein Lieber."
Es war ein Bluff, ein richtiger Bluff, weil es niemanden gab der hier war, außer mir, und das genügte immer. Ich wurde mit jeden Menschen fertig, ich würde es auch mit ihm schaffen. Egal wie, es würde gelingen.
Wie alles gelang in meinen Leben.
Er grinste nicht mehr so dreckig, stopfte mir zwei Hunderter in meinen Ausschnitt, fuhr mit der Hand auf meinen Brüsten herum. Ich lächelte leicht.
Keinerlei Erregung bei diesen Typen. Also gut, bringen wir es hinter uns. Er begrabschte mich dauernd, bevor er mit beinahe sabbernden Lippen erkannte, daß ich in einen dunklen, leeren Raum ging. Wo mich niemand schreien hören konnte. Er packte mich von hinten, riß mir das Oberteil vom Körper. Die Geldscheine flogen irgendwo in die Dunkelheit.
AH, er stand auf Schmerz. Brutal drängte er mich an eine rauhe, eisige Wand. Seine Hand fuhr zwischen meine Beine, brutal und ohne Rücksicht, und er grinste immer noch dreckig. Nun, jetzt war es genug!
Ich drehte mein eines Handgelenk das er mit der anderen Hand hielt, und brach seinen Knochen. Er schrie auf und fuhr taumelnd zurück. Schmerz lag in seinen Augen, Unglauben, und Angst. Ich knotete in aller Ruhe meinen Rest vom Oberteil wieder zusammen. Fuhr durch meine Haare, verknotete sie.
Nein, Sex mit diesem würde keinen Spaß machen. Also warum hinauszögern? Ich war hungrig. Er taumelte in der vollkommenen Dunkelheit, die für mich nicht vollkommen war, an eine der Wände.
Der schwere Metallanhänger lag auf meiner bloßen Haut, er fühlte sich gut an, so unglaublich gut.
Ich legte den Kopf zurück, und lachte, es war mehr das Lachen eines Wolfes. Heulend, und unheimlich für menschliche Ohren. Nun ich konnte schnell und langsam töten. Dieser hier wollte qualvollen Spaß von einer willigen Frau, egal ob sie dann sterben würde, wenn er seinen Gelüsten nachgegeben hatte. Doch das würde er nie wieder tun.
Ich konnte ihn sehen, Schweiß auf der Haut, Angst in den Augen, ein dunkler Fleck breitete sich von seinen Schritt nach unten aus. Ja, ich konnte diese Angst fühlen, sie wittern.
Ich blieb dicht vor ihm stehen, ballte meine Hand zu einer Faust, und rammte sie ihm in den Magen.

Das Fettgewebe vibrierte wie bei einen Schlag auf ein Kissen. Er stöhnte, Blut kam aus seinen Mund. Bevor er zusammensacken konnte, packte ich seinen Hals, und hielt ihn aufrecht, brach sein Genick genau an der Stelle, an der er noch voll lebensfähig war. Es kostete mich keinerlei Mühe. Erst dann wischte ich mit einen Taschentuch aus seinen Jackett das Blut weg. Ich mochte den Geschmack nicht sonderlich. Ich legte meine Lippen auf diesen menschlichen Krüppel, und nahm mir was mir gehörte. Das Leben war pur und sinnlich, es rann aus ihn heraus, wie eine Vision, wie ein tödlicher Hunger der nie gestillt werden konnte.
Ich zitterte unter dieser Erregung, preßte mein eines Bein gegen seine schwere Hüfte. Ja, das war es was ich gewollt hatte von ihm. Doch es war schon lange her, daß ich es mir so brutal holen mußte, so voller Grausamkeit. Ich schmeckte etwas Blut als ich von dem Körper abließ, und er schwer zu Boden sackte. Wie ein dumpfer hohler Sack.
Er atmete noch, doch das war mir egal, ich wischte mir das Blut aus den Gesicht, starrte noch einen Augenblick auf diesen Menschen, der den Namen nicht verdient hatte. Seine Augen zuckten wie wild, er war gefangen, in einen schweigenden Körper gefangen.
"Goodby, honny."
Ich ging hinaus, konnte fühlen wie er kämpfte, wie er verlor. Sollte ich vielleicht zum Spaß eine Ambulanz herbeordern? Wäre doch für diesen Mistkerl die gerechte Strafe, um ewig gefangen zu sein in einen Toten Körper.
Nein, er sollte sterben, und das ziemlich langsam. Irgendwann würde man ihn finden. Ich zog aus meiner Jackentasche eine Schachtel Zigaretten und zündete mir eine an. Das Geld hatte ich liegengelassen. Es war schmutziges Geld, ich brauchte es nicht, ich hatte genug.
Ich ging auf den Ausgang der Gasse zu, als ein schwerer Mercedes, ganz in schwarz, vor mir hielt. Ich sah das große Auto von der Seite an. Vielleicht noch ein kleines Dessert?
Warum nicht. Ich schob meinen Rock etwas hoch, so das man meine makellosen Beine sehen konnte, schwang meine Hüften. Das Oberteil zerriß bald von der schwankenden Bewegung.
Eine der abgedunkelten Scheiben wurde heruntergedreht. Ich konnte ein helles Gesicht erkennen. Ich blickte nicht zurück, sondern ging auf den Wagen zu. Betrachtete mein Spiegelbild.
Die polierte Oberfläche des Wagens, und die getönten Scheiben warfen das Bild einer mittelgroßen Frau zurück, die einen sehr kurzen Rock trug, der geschlitzt war. Das knappe Oberteil zerrissen und wieder gebunden, nicht unbedingt ein Provisorium. Vielleicht ein bißchen guter Sex vor dem letzten Essen, das wäre nicht schlecht.
Meine hohen Stiefel und die schwarze Lederjacke gaben dem ganzen Outfit den Abschluß. Ich war eine Nutte, doch eine besondere, die kein Geld wollte.
Nur das Leben ihrer Kunden.
Ich beugte mich aufreizend zum Fahrer hinüber, doch fuhr ich enttäuscht zurück, stieß einen wütenden Schrei aus.
Ich hörte wie die Tür geöffnet wurde, schwere Schritte. Ich wandte mich um, wütend, und schlug auf das Autodach, das nachgab. Er betrachtete die ganze Szene vollkommen ungerührt.
"Hast du einen anderen erwartet?"
Er fragte es in einen sanften Tonfall ohne besondere Gefühle. Nein, eher wie ein alter Bekannter. Ich sog an meiner Zigarette, schnippte die Asche weg. Meine hohen Stiefel erzeugten kratzende Geräusche auf den Asphalt. Ich blickte ihn wieder an, Wut war in mir. Er trug, wie ich, den Anhänger der Wiederauferstehung, Phönix aus der Asche. Sein Aussehen war sehr geschmackvoll und kultiviert. Das war er immer gewesen.
"Hau ab, ich habe zutun."
Ich ging weiter, doch er blickte mich nur an, sein Gesicht versteinerte sich. Ich schluckte schwer.
"Steig ein."
Mehr sagte er nicht, und stieg selber ein, als wäre das daß normalste von der Welt, was er verlangen würde. Ich war wütend, unglaublich wütend, ich schnippte die Reste der Zigarette weg, und rammte die Tür auf, so daß sie bald auf der Straße gelegen hätte.
Ich ließ mich auf den komfortablen Sitz des Benz gleiten. Mit Energie schloß ich die Tür, es waren Panzerscheiben, dennoch zeigten sich feine Risse in ihrer Struktur. Er blickte mich mißmutig an. Als wäre es eine Untat das zutun. Er hatte immer gute Manieren gehabt, doch ich pfiff seit meiner Auferstehung darauf.
Der Motor schnurrte lautlos, und wir fuhren aus diesen Hinterhofszenario hinaus. Hinaus in die Stadt, in der es Leben gab, pures, reines Leben. Ich rammte meine Stiefel auf das edle Holzbort des Benz, zerkratzte den Lack, ließ meinen Rock bis zum Ansatz meines Spitzenhöschens rutschen. Er wurde nervös. Das gefiel mir, das gefiel mir sogar sehr gut. Ich strich über meine bloßen Oberschenkel entlang. Er starrte auf den Verkehr, doch konnte ich sehen, daß er ziemlich an der Grenze stand. Wie schon oft.
Ich zuckte mit den Schultern, und zündete mir eine Zigarette an. Der Rauch wallte um mich herum, hüllte das Innere des Autos ein. Ich öffnete die Seitenscheibe, schnippte Asche hinaus. Er fuhr sehr schnell.
"Du hast es sehr eilig. Hast du Angst, ich könnte rausspringen?"
, er blickte mich kalt von der Seite her an. Mit einen lässigen Schlenker überholte er mehrere Autos, um gerade noch knapp vor dem entgegenkommenden Verkehr wieder zurückzukehren. Nun wir waren eben unsterblich, das bezog sich auf die Seele wie auf den Körper.
Er trug einen perfekt sitzenden Maßanzug, das Amulett des Phönix glänzte in der Dunkelheit. Anscheinend war er noch nicht dazu gekommen, sich seine Beute zu holen. Armer Kerl, immer so zurückhaltend. Ich wußte, daß das 'Normal Limit' bei einen von uns bei vier Toten im Jahr lag. Manche brauchten mehr, doch ich brauchte zwei in einer Nacht. Das war schon immer sehr ärgerlich gewesen. Doch ich hatte nie um dieses unsterbliche Leben gebeten, nicht einmal auf meinen ersten Totenbett.
"Du siehst gut aus."
Er stellte es einfach fest, als wäre es das normalste von der Welt. Ich lachte trocken und bitter auf. Ich kannte ihn zu gut um nicht das dahinter zu hören. Die Gestalten, die hinter ihm standen. Ich hatte keine Angst vor dem Tod, nie, und jetzt würde ich damit nicht anfangen. Ich sog den Rauch tief ein, dann schnippte ich die Zigarette hinaus.
"Danke für die Blumen, doch  normalerweise kommst du nicht in diese dunklen Ecken, um Nutten zu filzen.
Es ist nicht deine Art dich mit diesem Abschaum abzutun. Ich weiß das du etwas vorhast und das ist etwas anderes als Höflichkeit."
"Warum bist du eingestiegen?"
Ich wandte meinen Blick ab, und starrte nach vorne, als könnte mir das jede Wahrheit der Welt sagen. Doch dem war nicht so, die Straße glitt schnell und lautlos vorbei. Hier war ich verloren in seiner kalten dunklen Welt. Von Disziplin, und Leidenschaftslosigkeit geprägt. Auch wenn ich immer auf die Disziplin pfiff, war es wie ein Urtrieb, diesen Rufen zu folgen.
"Ohgam, du bist so rebellisch, du versuchst alles zu zerstören. Sind wir dir den vollkommen egal, die Familie?"
Er wurde sanfter mit seiner Stimme, ein leichtes Lächeln zeigte sich auf seinen Gesicht. Ich legte meine Hände auf die bloßen Beine, starrte hinaus, als würde die Finsternis alles preisgeben, was sie je gewußt hatte.
"Ich habe nichts mehr zu verlieren, und du weißt das! Ihr mögt ja eine wunderbare Familie sein, doch mich habt ihr nie angenommen. Das konntet ihr auch nicht. Also stell dich nicht so an, du bist nicht gekommen um alte Geschichten auszugraben, dazu kenne ich dich zu gut mein Lieber."
Er wurde wieder sehr ernst, bog in eine Seitenstraße ab, in der es dunkler, und sehr viel ruhiger war. Ein flaues Gefühl breitete sich in meinen Magen aus. Glitt langsam nach oben, wie unverdaute Nahrung, doch dieses Gefühl war so alt wie ich, denn ich kannte es nicht mehr.
Ich erinnerte mich nur daran.
"Du weißt worum es gehst, du provozierst diese Menschen um sie dann für dich sterben zu lassen. Ich habe dich beobachtet, du hast gespielt, verdammt hoch sogar.
Was gefällt dir so gut daran?"
"Ich war noch nie ein Engel, und habe nie behauptet einer zu sein. Ich trage das nicht aus Spaß an der Freude," verächtlich hielt ich das Medaillon hoch, "ich bin nicht von einen von euch auserwählt worden, sondern bin einfach wiedergeboren worden. Also stell dich nicht so an. Ich war vorher eine Nutte, und jetzt bin ich wieder eine.
Mir macht es Spaß, grausam zu sein. Mir bereitete es Freude, Männer zu quälen. Du weißt das mich ein Mann nach einer Vergewaltigung umgebracht hatte. Also halte dich zurück, du mit deinen wunderbaren Ehrenbezeichnungen, deinem holden, vorbildlichen Verhalten. Das hat in meiner Welt noch nie etwas verloren gehabt."
"Ohgam..."
Ich hob nur die Hand, und er brach ab. Mit zögernder Fahrt glitt er weiter in die dunkle Ecke dieses noblen Viertels. Er hielt vor einen alten, robusten Haus an. Mein Herz sackte in die Hose, und alles war eigentlich egal.
Sie wollten mich richten!
Nun, das sollten sie tun, ich war es schon in meinen richtigen Leben überdrüssig, gefangen in Regeln zu sein, und jetzt in meiner Unsterblichkeit, war ich bereit alles mögliche zu tun, damit sich daran nichts änderte. Manchmal dachte ich an die alten Sagen von Vampiren, und ihrer Freiheit. Nun sie kannten uns nicht, oder besser gesagt mich.
Plötzlich war mir alles egal, ich riß die Tür auf, sprang hinaus. Er war schneller als ich, stand keine Sekunde vor mir, packte meine Hände. Doch ich streifte sie ab. Ich hatte Kraft für zehn von unserer Sorte, und das wußten sie genau. Er funkelte mich an, ich nahm eine Zigarette und zündete sie an, blies ihm den Rauch ins Gesicht. Er wandte sich angewidert ab.
Nun er war nicht immer so gewesen, in manchen Momenten war ich anscheinend sehr angenehm im Bett gewesen. Ein leckeres Häppchen, das wirklich einfallsreich war, was die Erotik betraf. Nun ich war lange genug in diesen Gewerbe um alle Stellungen zu kennen. Ich drückte ihn beiseite, obwohl er größer und äußerlich kräftiger war als ich, und ging auf das Tor zu. Rammte es mit meinen Stiefel auf, ging hinein. Das Schloß blieb lose am Stein hängen. Es war alles egal. In mir war nur eine grenzenlose Wut, die verlangte, alles zu zerstören was sich in meinen Weg stellte.
Das Haus war dunkel und schwer,  Bedrohung lag in seinen Wesen. Doch das belastete mich nicht, nichts konnte mich mehr erschrecken. Auch nicht das kahle Innere, die leeren Räume, die Spinnweben die in den Ecken hingen. Unendlich lange Gänge, die gähnenden Schlünde der Dunkelheit waren. Ich warf meine Zigarette irgendwohin, hörte ein leises Fluchen von meinen ansonsten stillen Verfolger, und ging auf die breite, schwere Metalltür zu.
Sie paßte nicht in dieses Haus, wie sie nirgends hinzupassen schien. Die Tür trug das selbe Symbol wie ich und er es trugen. Der Phönix, ein Wesen voller Edelmut, Tapferkeit, holder Ideale. Doch nicht so bei mir. Ich liebte das Leben, auch wenn ich schon tot war. Vielleicht war ich noch nicht lange genug tot.
Die schweren Türflügel öffneten sich lautlos, beinahe dachte ich das Quietschen in den Angeln zu hören, das tonlose Wispern der Mauern die diesen Raum umgaben. Vielleicht einen heiligen Raum, doch für mich war er unheilig.
Meine hohen Absätze erzeugten ein klapperndes Geräusch als ich den leeren Raum betrat. Nur ein großer Schreibtisch stand dort, aus schwarzen Stein. Hinter dem Schreibtisch, der vollkommen leer, und glattpoliert war, konnte ich das Symbol unserer Macht sehen. Das geheime Zeichen UNSERER Familie, wie sie auch genannt wurde.
Aber nicht meiner.
Eine Frau saß vor diesen Symbol, zurückgelehnt auf einen thronartigen Gebilde, aus grauen Holz, mit etlichen Symbolen darauf. Sie war erhaben, ruhig, mächtig.
Gegen sie hatte ich keine Chance, sie war eine der Ältesten, wußte mehr als ich über unsere Fähigkeiten, eine wahre Heldin ihres Wesens. Wann sie das letzte Mal einen Tod genommen hatte, keine Ahnung, doch es war Jahre her. Dennoch war sie voller Kraft auch wenn die Haare langsam grau wurden, die Haut etwas Falten bekommen hatte, wirkte sie dennoch wie eine Dreißigjährige. Doch die Augen waren die eines uralten Menschen.
Eines unsterbliche.
Ich spreizte meine Beine, spürte ihn hinter mir, doch es war egal. Er war schon immer ein treuer Hund gewesen. Ein Lebewesen das man nicht ändern konnte. Das Ideal.
Die Frau legte die Hände auf die überschlagenen Beine, blickte mich prüfend an. Ihr Blick sagte mehr als alle Worte es wohl je tun mochten.
"Ohgam, was sollen wir mit dir tun?"
"Mich töten?" , fragte ich höhnisch. Sie hatten mich nie gewollt, doch ich war eine der ihren geworden. Angenommen hatten sie mich nie, konnten es auch nicht.
Denn ich war anderes, gewalttätig, und jetzt hatte ich die Macht dazu, so zu sein, wie es sein sollte. Wie ich es gerne wollte, mächtig und gefährlich.
"Vielleicht, doch du kannst daran etwas ändern. Was hälst du davon in eines der Mutterhäuser zu gehen, für einige Jahre. Um dich zu besinnen, um zur Ruhe zu kommen."
Wie sie das aussprach, war wie ein eisiger Windhauch, der alles lebendige aus den Raum vertrieb, falls so etwas überhaupt noch vorhanden gewesen war. Ich wußte es nicht, doch ich hatte Angst. Sie machte mir Angst. Dann kam ein anderer Gedanke: Was wäre, wenn sie mich einsperren würden, für immer und ewig, hungernd, gierend nach Leben.
Es war ein kaltes Gefühl das ich spürte, weil ich eine unruhige Seele in meinen Tod war und so immer sein würde. Ich ging auf den Tisch zu, riß das Halsband von meinen Genick, ließ den Anhänger auf  den schwarzen Tisch fallen. Es war ein hallendes Geräusch. Michael hinter mir  schnaufte entsetzt, die Mutter rührte sich keinen Millimeter. Sie nickte nur, nahm den Anhänger an sich.
"Du weißt was du willst, vielleicht bewundere ich dich sogar dafür. Das hier ist nichts, und wir brauchen es auch nicht. Doch was bist du ohne uns?
Was ohne deine Familie?"
Ich hob das Kinn, blickte sie nachdenklich an, strich mir das Haar aus den Gesicht. Sie hatte recht, zum wiederauferstehen  brauchte ich das nicht. Denn ich war unsterblich geboren, doch damit gab ich alles auf was mir je etwas bedeutet hatte. Meine Familie, meine Zukunft. Ich schüttelte diese Gedanken ab. Was war es für eine Familie gewesen, was für eine Zukunft.
"Ich verstehe sehr gut Mutter. Doch ich kann hier nicht mehr atmen, ich will nicht mehr hier sein. Ich gehe, und hoffe niemanden von euch Bastarden je wieder zu sehen."
Sie schien traurig zu sein, "ich bin schon lange nicht mehr gestorben, doch es kann grausam sein. Denke daran mein Kind. Denn ein Kind bist du noch, unwissend, und unreif.
Du kennst den grausamen Tod, vielleicht ist das deine Stärke. Vielleicht ist es besser so, doch du wirst keine Hilfe mehr bekommen von uns, das weißt du sehr genau. Weil wir nicht mehr helfen können, einen der nicht mehr zu uns gehört.
Bete für einen einfachen Tod, und eine sanfte Wiederauferstehung, vielleicht ist im nächsten Leben alles anderes."
Ich wandte mich um, teils erleichtert, teils verbittert. Funkelte Michael an in seinen tollen Anzug, in seinen tollen Outfit, und ging hinaus, durch dieses tote Haus.
In ein totes Leben, das in einen grausamen Tod führen würde. Doch ich wusste wie es war, aus Gräbern wieder aufzuerstehen, aus der Dunkelheit ans Licht zu kommen.
Und was für ein Licht würde es wieder sein, ein Licht der Freiheit, einer grenzenlosen Freiheit?
Ich trat hinaus in die Dunkelheit, schritt über den Bordstein in die Nacht hinein. Einer Nacht die nur mir gehörte, nur mir und niemanden sonst.
Ich war gestorben um frei zu sein, doch wiederauferstanden in einen anderen Gefängnis.
Aber jetzt war ich wiedergeboren um frei zu sein, die Luft zu schmecken, das Leben zu lieben.
Und nichts würde mich daran hindern, ich war keine mehr von ihnen. Ein Wagen hielt an, ein älterer Mann öffnetet die Tür, er lächelte schüchtern, und ich lächelte zurück.
Es gab noch viel zu tun.

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