Fatale
Sinnlichkeit
Ich folgte dem
Jüngling durch die finsteren Gänge der Festung. Lediglich der
Schein der Fackel in seiner Hand erhellte die Dunkelheit.
Der Graf spart selbst am Licht,
flüsterte der Diener, der über seine Schulter hinweg meinen
umherschweifenden Blick erhaschte.
Schnell
zog ich die Kapuze meines Capes über die Augen. Ein Lächeln
huschte über mein Antlitz. Noch nie hatte ich solch eine
milchfarbene Haut gesehen, wie er sie besaß. Sie erinnerte mich
an den Porzellanharlekin, den das Kind, dem ich gestern einen
Besuch abgestattet hatte, mir zeigte. Das Lächeln verschwand
aufgrund der Erinnerung.
Aufgrund
der Belagerung des Feindes können nur wenige Lieferungen zu uns
durchstoßen.
Ich
hob meinen Kopf ein wenig, um die Portraits an den Wänden zu
betrachten. Heroische Posen. Erhabende Blicke. Hatten diese Männer
wirklich geglaubt ihren Besitz retten zu können, indem sie ein
paar Untertanen dem Teufel zum Fraß vorwarfen während sie sich
in dieser Festung verschanzten und Bilder von sich malen ließen?
Man sollte nie vor dem Sieg feiern.
Nach
Jahren des Kampfes stand das Land kurz vor dem Fall. Der Feind
postierte sich vor den Mauern und der Graf bestellte mich zu sich
als letzte Hoffnung.
Meine
Augen wurden durch die Silhouette des Dieners, die das Licht als
Schatten auf die Wand projizierte, in das Hier und Jetzt zurückgerufen.
Ich beobachtete den Gang des Jünglings, der hin und wieder
versuchte meinen Blick zu erhaschen. Schüchtern senkte ich die
Augen, um sie gleich darauf wieder auf seinen Körper zu richten.
Der Rücken war kerzengerade. Die Hüften tänzelten nach rechts
und links. Und sein Hintern stach klein und hart gegen die
lederne Hose. Der Wunsch mit meiner Hand seine Konturen entlang
zu fahren wuchs, doch ich durfte mich ihm nicht hingeben. Ich
durfte den hübschen Diener nicht berühren!
Er
öffnete eine dicke Holztür. Knarren und Quietschen störten die
Ruhe der kühlen Gemäuer. Eine Gänsehaut bedeckte meinen Nacken
und ich kuschelte mich tiefer in den schwarzen Umhang.
Der
Jüngling hielt mir die Tür offen und deutete mir mit der
Fackeln an zuerst hindurch zu gehen. Unsere Augen trafen sich.
Sekundenlang klebten sie aneinander.
Sie
haben schöne bernsteinfarbene Augen.
Ich
senkte meinen Blick und huschte durch die Tür. Er durfte so
etwas nicht sagen. Er durfte mich nicht in Versuchung bringen.
Den
Rest des Weges fixierte ich die Steine auf dem Boden. Mit Freude
sah ich ein paar Ratten durch die Dunkelheit huschen. Sie folgten
mir hinauf zu den Schlafgemächern. Und ich lächelte ihnen zu.
Wir
sind da. Der Diener hielt seine Fackeln in Richtung einer Tür.
Der Graf erwartet sie.
Sein
freundliches Grinsen brachte mein Blut in Wallung. Meine Finger
verlangten danach seine milchfarbenen Wangen zu streicheln.
Meinen Busen gelüstete es sich an seinen Oberkörper zu pressen.
Und mein Mund wollte seinen Geschmack in mir aufnehmen. Ich
verlor die Kontrolle über meinen Körper. Benebelt machte ich
einen Schritt auf ihn zu und küsste den Knaben. Dann wandte ich
mich schnell um und betrat das Schlafgemach des Grafen mit dem
Geschmack des Lebens auf meinen Lippen.
Der
Graf stand mit dem Rücken zu mir am Fenster und flog herum als
ich in den Raum eintrat.
Sie
haben lange gebraucht.
Nicht
lange genug werden sie sich wünschen.
Ja,
das werden unsere Feinde. Er lachte und prostete mir mit
einem Kelch Rotwein zu.
Anscheinend
missverstand er mich. Die Überheblichkeit des Adelgeschlechts
hatte sich all die Jahre vererbt.
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Er schlendert
auf mich zu und stellte dann den linken Fuß auf einen mit rotem
Samt überzogenen Sessel, die Hand auf dem linken Knie gestützt.
Sie kennen meinen Auftrag. Ich möchte, dass sie in
Feindesgebiet gehen. Eine schöne Frau wie sie wird dabei
keinerlei Schwierigkeiten habe. Und dann verseuchen sie das Land.
Ebenfalls ein leichtes für sie.
Ich nickte.
Das
habe ich bereits, antwortete ich und ergötzte mich an dem
erstaunten Ausdruck auf seinem Gesicht.
Ich
machte einen tiefen Knicks vor dem Grafen und dachte an den schönen
Diener, der nun in der Festung herumlief und die Seuche
verbreitete. Ein Kuss. Nur eine einzige bitter-süße Berührung.
Die effektivste Waffe. Doch der Graf hatte vergessen, dass ich, die
Pest, keine Verbündeten kannte.