Aleister Crowley
Der
Teufel in Menschengestalt
Der Mann, der berufsmäßig magische Rituale
abhielt, in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts als der böseste
Mann der Welt galt und sich selbst sogar für Das Große
Tier aus der Offenbarung des Johannes hielt, wurde am 12.
Oktober 1875 in Leamington bei Stratford on Avon als Edward
Alexander Crowley geboren.
Seine Eltern, Mitglieder der Brüder
von Plymouth, einer äußerst strengen protestantischen
Sekte, zogen ihren einzigen Sohn streng religiös auf. Ihr Glaube
besagte, dass jedes Wort der vom Heiligen Geist inspirierten
Bibel die lautere Wahrheit ist, dass die katholische und die
anglikanische Kirche Synagogen des Teufels sind und
die Mehrzahl der Menschen von einem gerechten Gott dazu verdammt
wäre, nach ihrem Ableben ewig im Höllenfeuer zu schmoren, und
in diesem Sinne formten sie ihren Sohn von frühester Kindheit an.
Als 1887 der Vater starb, war Aleister gänzlich
dem religiösen Fanatismus seiner Mutter ausgeliefert, die den
kleinen Jungen mehr als einmal bezichtigte, das Große Tier
aus der Offenbarung des Johannes zu sein, dessen Zahl angeblich
666 lautet. Ihr Fanatismus hatte zur Folge, dass Crowley bis an
sein Lebensende alles daran setzte, diesen archetypischen
Schreckensbild gerecht zu werden, und es gab Stimmen, die
behaupteten, dass er selbst davon überzeugt war, dass er dieses
biblische Wesen verkörperte.
Getreu ihrem Glauben schickte die Mutter
Aleister auf eine Schule ihrer Glaubensgemeinschaft, doch der
Junge erlebte dort vieles, was ihn von seinem elterlichen Glauben
abbrachte und ihn schließlich sogar einen regelrechten Haß auf
die Bruderschaft und ihren Glauben entwickeln ließ. Er flog
schließlich von der Schule, doch dieser Haß sollte sein Leben
lang andauern.
Im Oktober 1895, im Alter von 20 Jahren und
endlich im Besitz seines Erbes von 30.000 £, trat Aleister in
das Trinity College von Cambridge ein, um dort
Geisteswissenschaften zu studieren. Drei Jahre verbrachte er an
dieser Universität, in denen er damit begann, seltene Bücher zu
sammeln, Gedichte zu schreiben, sich für das alpine Bergsteigen
zu interessieren und sein Interesse für den Okkultismus
zu entdecken!
Von einem Bergsteigerkumpan wurde er 1898
als Neophyt in den Golden Dawn-Kult, den Hermetischen
Orden der Goldenen Dämmerung, eingeführt. Dabei handelte
es sich um einem rosenkreuzerischen und freimaurerischen
Geheimbund, der sich mit dem Studium der okkulten Künste und
Wissenschaften sowie mit Geisterbeschwörungen, Weissagungen und
Alchemie befasste. Crowley passte sich an das kultische Leben
schnell an und gründete in London schließlich eigene kultische
Räume für seine Rituale, doch ansonsten hielt er von den
meisten seiner Sektenbrüder nicht viel. Lediglich zwei schafften
es, ihn zu beeindrucken: Cecil Jones und Allan Bennett. Mit
letzterem teilte er sich seine Londoner Wohnung, wo die beiden
zahllose okkulte Experimente durchführten. Eine wichtige Rolle
nahmen dabei zwei spezielle Räume ein: der sogenannte weiße
Tempel, ein mit Spiegeln ausgekleideter Raum für Zauberpraktiken
zum Wohle der Menschheit, und sein Gegenstück, der schwarze
Tempel, in dem ein Altar auf dem Bild eines schwarzen
Mannes ruhte, der auf seinen Händen stand, und der ein Skelett
enthielt, dem Crowley angeblich Spatzen opferte.
Eines
Abends im Jahre 1899 gingen Crowley und ein befreundeter
Okkultist zum Abendessen aus. Bei ihrer Rückkehr fanden sie die
verschlossene Tür zum weißen Tempel auf mysteriöse Weise geöffnet
und den Raum in höchster Unordnung vor. Beim Aufräumen sahen
Crowley und sein Freund hellseherisch angeblich halbmaterialisierte
Wesen ... die in schier endloser Prozession im Raum
herummarschierten. Diese Erscheinungen bestärkten Crowley
noch in seinem Glauben, besondere magische Fähigkeiten zu
besitzen.
Im Jahr 1900 spaltete sich der Orden
der Goldenen Dämmerung in zwei konkurrierende Lager.
Crowley legte sich mit beiden an, verlor aber im Laufe der
folgenden 3 Jahre das Interesse am westlichen Okkultismus. Er
schrieb wieder Gedichte, reiste um die Welt und heiratete schließlich
die Pfarrerstochter und Schwester eines Studienfreundes mit Namen
Rose Kelly. Das Paar lebte in Kairo und ging dort weiter
magischen Ritualen nach, obwohl Rose eigentlich nicht viel über
Okkultismus wußte.
Inzwischen war Crowley dazu übergegangen,
Drogen in großen Mengen zu konsumieren. Von Opium war er über
Kokain zu Haschisch gekommen, und irgendwann während seiner
Kairoer Zeit glaubte er, dass ihm der Teufel erschienen sei und
befohlen habe, die Verdammten und Schwachen zu zertreten,
denn er sei der Auserwählte.
Wieder reiste das Paar durch die Welt, und
die unerfreulichen Zwischenfälle häuften sich. Mit 30 äußerte
Crowley während eines Himalaya-Aufenthaltes, dass er Blasphemie,
Mord, Vergewaltigung, Revolution, irgend etwas wünsche,
und etwas später behauptete er in Kalkutta, gegenüber Räubern
einen zweifachen Mord ausgeführt zu haben. Die Behörden
begannen zu ermitteln und Crowley, der inzwischen Vater einer
Tochter geworden war, floh mit ihr und seiner Frau nach China.
Dann verließ er seine Familie und reiste nach New York, ohne
sich weiter um sie zu kümmern. Es ließ ihn unberührt, dass
seine Tochter schließlich starb und Rose nach ihrer Rückkehr
nach England ein zweites Kind gebar, denn er war viel zu beschäftigt
damit, neue Orden zu gründen und die Mitglieder in den
Gruppensex einzuführen. In dieser Zeit stieß der Drogen nicht
abgeneigte Mann dann auf Heroin. Endlich, so meinte Crowley, sei
ihm der spirituelle Durchbruch möglich und er begann andere
davon zu überzeugen, dass er der neue Messias sei.
Seine Frau war unterdessen zur Alkoholikerin
verkommen. 1909 wurde sie dauerhaft in eine psychiatrische Klinik
eingewiesen, und schließlich ließ Aleister sich von ihr
scheiden.
An Geliebten, die er als Scharlachrote
Frauen zu bezeichnen pflegte, herrschte bei ihm jedoch nie
Mangel, und dieser skandalöse Ruf sicherte ihm stets ein großes
Publikum.
In den Jahren bis zum Ausbruch des Ersten
Weltkrieges führten Crowley und seine Anhänger in England eine
großangelegte Glaubenskampagne durch, doch trotz investierter
Unsummen blieb sie relativ erfolglos. So brach Crowley 1914 nach
Amerika auf, wo man, wie er hoffte, seiner Glaubensbotschaft
ausgeschlossener gegenüberstehen würde. Er hatte sich geirrt,
denn in Amerika stand man seinen Lehren nach abgeneigter gegenüber
als in Europa.
Der selbsternannte Prophet verbrachte in
Amerika sechs nicht sehr glückliche Jahre. Er war ständig in
Geldnot und konnte nur wenige neue Jünger gewinnen.
1920 kehrte er daher, angeblich von seinen
Orakeln angewiesen, mit zwei Mätressen nach Europa zurück. Er
ließ sich in Sizilien nieder und gründete dort die Abtei
Thelema (Griechisch: Wille). Die Sizilianer erwiesen sich Crowley
und seinen magischen Schriften (allen voran die Magick)
gegenüber als überraschend tolerant, und schließlich besuchten
auch Jünger und Neugierige seine Abtei wieder. Einer davon war
der hochbegabte Oxford-Absolvent Raoul Loveday, der sein Leben
Crowleys neuer Religion verschrieb.
Loveday verstarb während seines
Sizilienaufenthaltes, vermutlich an einer Dünndarmentzündung,
doch seine Frau glaubte, dass er sich während einer magischen
Zeremonie durch das Trinken von Blut eine Vergiftung zugezogen
hatte, und startete nach ihrer Rückkehr nach London eine
beispiellose Presse-Hetzkampagne gegen Crowley, den sie als
Teufel in Menschengestalt bezeichnete. Schließlich
mußte er seine Abtei schließen und wurde offiziell aus Italien
ausgewiesen.
In den folgenden Jahren reiste er wieder
durch die Welt, doch aus ihm war ein einsamer, verbitterter und
mittelloser Mann geworden. Schließlich emigrierte er in die USA.
Crowley starb im Jahr 1947, nur noch von einer Handvoll Anhängern umgeben.
c) Katrin Glase 27.12.2000