Frank Black
Chapter III
Red Right Hand
Rote
Nebel wallten vor meinen Augen. Engelschöre sangen in meinem
Kopf. Ich fühlte mich leicht, frei, lebendig. Ich schwebte
dahin, getragen von einer unglaublichen Kraft, die aus mir verströmte.
Eine Kraft, die mir gehörte und die mich ewig davontragen würde,
bis...
Hart
schlug mein Gesicht auf den feuchten Asphalt. Der Schleier vor
meinen Augen begann sich mit einem fürchterlichen Kopfschmerz zu
paaren. In meinem Hirn wurden die Schwerter für die Schlacht der
Ewigkeit geschmiedet. Meine Schädeldecke platzte schier und das
Innere wurde in alle Richtungen auseinandergeschleudert. Ich
presste meine Hände an die Schläfen und versuchte meinen Kopf
zusammenzuhalten. Ein elendes Winseln und Stöhnen drang langsam
durch die brüllenden Schmerzen. Es dauerte einige Zeit, bis mir
bewusst wurde, dass sich meine eigene Stimme in meinen Kopf
bohrte.
Worte
durchdrangen das Toben in meinen Gedanken. Eine Stimme? Eine
Frauenstimme?? Was war geschehen? Meine Gedanken drangen zurück,
ich hatte mich so unbeschreiblich gut gefühlt, entfesselt aller
Schwerkraft, über der Welt schwebend. Ja, ich war der König der
Welt...
gewesen.
Die
Stimme kehrte zurück, wurde eindringlicher, störender. Ich
kehrte langsam in die Realität zurück. Der rasende Schmerz wich
langsam einem pulsierenden dumpfen Hämmern. Meine Augen begannen
langsam ein unscharfes, farbloses Abbild der Umgebung an mein
Nervensystem zu senden. Ich fühlte mich plötzlich übel, mein
Magen krampfte sich zusammen und spie sein Innerstes nach außen.
Die Welt drehte sich in schrecklichen Kreisen und ich versuchte
verzweifelt, mit meinen Augen durch die Schleier einen Halt zu
finden. Mein Körper wand sich in Krämpfen, in meinem Magen war
längst nichts mehr, was ich von mir geben könnte. Ich kniete
zitternd auf der Straße und erwartete mein Ende.
"So
schlimm habe ich das ja noch nie gesehen."
Die
Worte drangen zu mir durch und ich hob mühevoll den Kopf. Vor
meinen Augen tauchten im grauen Nebel ein Paar schwarzer Schnürstiefel
auf, die in lederne Hosenbeine übergingen. Ich musste meine Kopf
sehr weit in den Nacken legen, um die Gestalt ganz zu erfassen,
zu der die langen, schlanken Beine gehörten. Das Gesicht grinste
mich von ziemlich weit oben herab an.
"Das
erste Mal ist immer etwas Besonderes", sagte sie, "das
vergisst man nicht so schnell wieder. So einen Kater wie bei dir,
habe ich allerdings noch nicht gesehen. Ich dachte schon, du
gehst dabei drauf."
"Was
ist passiert?" presste ich mühsam aus meiner Kehle.
"Du
hast zuviel getrunken, und das gleich beim ersten Mal, wo du doch
solange auf Entzug warst. Das ist nicht gut. Beim ersten Mal
sollte man ganz vorsichtig sein, das ist ein ganz besonderer
Moment in unserem Leben." Sie kicherte leise bei diesen
Worten. "Wie es scheint, ist aber alles halbwegs gutgegangen."
"Red
keinen Mist," stieß ich hervor, "ich habe schon öfter
zuviel getrunken, aber so elend ging es mir noch nie. Ein Kater
ist für mich nichts Neues. Aber so hat es mich noch nicht
umgehauen. Was für Zeug haben wir bloß gesoffen, ich habe mich
so unheimlich stark und gut gefühlt."
Ich
bewegte meinen Kopf vorsichtig, wissend, dass ein plötzliche
Bewegung wieder einen rasenden Kopfschmerz auslösen würde.
Langsam erweiterte sich mein Blickfeld. Ich kniete auf dem
feuchten Asphalt. Ich konnte mich an keinen Regen erinnern.
Vorsichtig richtete ich meinen Oberkörper auf und wischte die
feuchten Hände an meiner Hose ab. Das klebrige, feuchte Gefühl
ließ nicht nach, ich hob die rechte Hand vor meine Augen und
wartete, dass der Schleier vor meinen Augen verschwand. Die
Umgebung sah schon halbwegs normal aus, nur meine Hand war immer
noch rot.
Meine
Hände waren voller Blut.
"Mannomann,
wir müssen ja fürchterlich abgestürzt sein, ich habe mir die Hände
total zerschunden."
"Das
kann man wohl sagen," kam ihre spöttische Antwort "aber
bevor du vorschnell urteilst, sieh dich erst mal richtig um, aber
bleib besser gleich sitzen dabei!"
"Verarschen
kann ich mich selbst", knurrte ich, und rappelte mich
langsam und mühevoll auf. Dann wischte ich mir mit den Handrücken
die verklebten Augen und warf endlich einen einigermaßen klaren
Blick in die Umgebung
Ich schloss die Augen sofort wieder und fiel zurück auf die Knie. Mein Leib verkrampfte sich erneut, aber ich konnte nichts außer etwas gelber Galle von mir geben. Tief atmend versuchte ich meine Eingeweide zu beruhigen und einen klaren Gedanken zu fassen.
"Was
ist das?" fragte ich zögernd.
"Frag
lieber was, oder besser wer das mal war. Du hast hier an ganz schönes
Schlachthaus angerichtet. Du solltest sehen, dass du langsam
wieder auf die Reihe kommst, dann die Sache beenden, und dann
werden wir schleunigst hier verschwinden. Wir werden deshalb
schon genug Probleme bekommen, da brauchen wir nicht noch ein
paar verrückte Bullen dazu."
"Wieso
zu Ende kommen, das sieht mir schon einigermaßen endgültig aus."
"Das
denkst du, aber hier, nimm erst mal einen Schluck, sonst wirst
du, glaube ich, nie mehr klar denken können."
Mit
diesen Worten reichte sie mir die halbvolle Flasche Scotch, die
sie während des Gesprächs aus meinem herumliegenden Rucksack
herausgefischt hatte. Ich sah sie zweifelnd an, nahm aber
trotzdem die Flasche und setzte sie zögernd an die Lippen.
Zuerst nahm ich nur einen kleinen Schluck, aber als ich das
bekannte wohltuende Brennen am Gaumen spürte, trank ich die
Flasche in großen Zügen aus.
Mit
dem Alkohol kehrte schlagartig die Erinnerung zurück. Ich sah
Blut, Gewalt und Tod. Und ein unglaublich erhebendes und
befreiendes Sein. Aber zu welchem Preis. Vor mir lag ein toter
Polizist, eigentlich nicht viel mehr als der größte Teil eines
Polizisten. Ich musste fürchterlich gewütet haben. Ich hoffte
nur, dass der Mann nicht mehr allzu viel davon erlebt hatte.
Sie
stand grinsend vor mir, das Schwert in der Hand. " Hier
nimm, und mach endlich Schluss, denn wenn wir nicht bald
verschwinden, hängen uns die Bullen auf dem Hals. Und ich kann
dir eines sagen: wir werden auch so schon genug Ärger haben."
Ich
sah zu ihr auf und nahm langsam die Klinge. Unsicher sah ich sie
an.
"Du
musst einfach nur das tun, was du mit mir vorhattest."
,sagte sie, "hab dich nicht so, vorhin warst du doch
ernsthaft bei der Sache, oder? Oder gefällt dir mein Hals
besser, als der hier? Beeil dich endlich, oder wir werden hier
ziemlich üble Schwierigkeiten bekommen."
Langsam
begann sie wütend zu werden.
"Warum?"
"Wenn
du nicht möchtest, dass dir der Kerl so hinterherläuft, wie du
mir, dann solltest du endlich anfangen. Glaub mir, dass ist kein
Spaß, wirklich nicht."
Zögernd
nahm ich die Klinge in beide Hände, hob sie über den Kopf und
sah sie fragend an.
Sie
nickte kurz und ich schlug zu. Es gab keinen Widerstand, bis die
Klinge auf dem Asphalt aufschlug. Der Hals des Cop war glatt
durchtrennt worden, vielmehr das, was vom Hals noch übriggeblieben
war. Der Kopf rollte langsam zur Seite. Vorwurfsvoll blickte mich
das Gesicht an.
Ich
wandte mich ab.
"Warum
das alles, warum quälst du mich so?"
Ich
sah sie an. Sie blickte mir tief in die Augen.
"Ich
war bereits einmal tot, "sagte sie," und muss doch
weiterleben. Du wirst das nie verstehen. Denke immer daran, du
warst niemals tot. Ich hatte das nicht gewusst. Deshalb habe ich
dich auch nicht als einen von uns erkannt. Als der Meister mich
ausschickte, dachte ich, ich sollte ihm nur ein gewöhnliches
Opfer zu ihm bringen."
"Aber
du selbst hast mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin,"
schrie ich verzweifelt, "erinnerst du dich nicht mehr. Nur
durch deine Schuld bin ich jetzt hier."
Erschrocken
sah sie mich an. Sie presste die Hände vor das Gesicht.
"Du...,du
bist mein Abkömmling.. du bist mein Blut. Warum hat der Meister
mich geschickt. dass ich ausgerechnet dich hole. Er musste es
gewusst haben! Wir sind beide in Gefahr. Wir müssen verschwinden.
Wer weiß, was der Meister geplant hatte. Wir müssen erst mal
untertauchen. Komm mit, ich erkläre dir alles später."
Sie
griff meine Hand und wir liefen los.
Hinter
uns näherte sich Sirenengeheul.